1411 Weltuntergang


Weltuntergang

„Am 21. Dezember wird die Welt untergehen“, sagst Du.
„Sagt wer?“, frage ich.
„Der Kalender der Mayas, Bei den Einträgen steht dort. Nicht vergessen, Tag des Weltunterganges“, entgegnest Du.
„Was macht man wohl an so einem Tag? Wird es am Vormittag passieren oder am Nachmittag?“, frage ich.
„Macht das denn einen Unterschied?“, erwiderst Du.
„Natürlich macht das einen Unterschied. Wenn die Welt erst am Nachmittag untergeht könnte ich noch das eine oder andere erledigen“, sage ich.
„Wozu?“, fragst Du.
„Wir sollten die Welt doch geordnet verlassen“, sage ich überzeugt.
„Da kommt sowieso alles Durcheinander, bei so einem Weltuntergang, denke ich“, merkst Du an.
„Aber dann kann keiner sagen, dass wir es waren“, sage ich ernst.
„Glaubst Du das denn wirklich?“, fragst Du verwirrt.
„Nein, nicht dass die Welt wirklich untergeht, aber was wäre, wenn Deine Welt unterginge? Was wäre, wenn an diesem Tag etwas passiert, was Dein ganzes bisheriges Leben plötzlich völlig auf den Kopf stellt? Was würdest Du dann tun?“, frage ich.
„Ich könnte mich zu den Trümmern setzen und dem Gewesenen nachtrauern“, sagst Du.
„Du könntest anfangen die Trümmer wegzuräumen“, entgegne ich.
„Ich  könnte mich gehen lassen und nie wieder etwas tun, weil es einem ja sowieso wieder genommen wird“, sagst Du.
„Du könntest aber auch sagen, dass es irgendwann immer Zeit ist Abschied zu nehmen. Dann wird gefegt, und der Platz bereitet für was Neues“, schlage ich vor.
„Ich könnte mich am Alten festklammern, weil das Neue, das kenne ich nicht. Auch wenn das Alte vielleicht nicht perfekt war, so war es doch das Beste, was ich hatte“, meinst Du ängstlich.
„Du könntest aber auch sagen, dass das Alte gut war, aber das Neue, das kommt und das Du nicht kennst, wird besser sein, anders sein.“, merke ich an.
„Ich kann aber auch sagen, dass ich das nicht will. Ich kenne es nicht. Ich habe mich auf das konzentriert, was war, habe aufgebaut, Kraft und Zeit investiert, und das ist dann alles, alleis einfach weg, einfach weg“, sagst Du.
„Du kannst es aber auch als Chance sehen, denn es zwingt Dich zu etwas, was Du bis jetzt nicht gemacht hast, den Blick heben und nach dem Neuen Ausschau halten, könntest Dich öffnen. Bist Du denn gar nicht neugierig auf das, was da kommen könnte, wenn als Alte vergeht?“, frage ich.
„Aber wenn das stimmt was Du sagst, wenn da wirklich was Besseres kommt, dann müsste ich mich doch fragen, warum ich mich bis jetzt mit dem zweitbesten zufrieden gegeben haben? Wenn das stimmt, dann müsste ich mein ganzes Leben hinterfragen! Weißt Du was das bedeutet?“, fragst Du entsetzt.
„Du musst nicht immer alles in Kategorien verpacken. Es muss nicht besser sein und auch nicht schlechter. Einfach was anderes, etwas, wofür in Deinem Leben noch kein Platz ist. Es muss ja auch nicht alles niedergerissen werden, nur ein wenig Platz, für neue Bilder und neue Geschichten“, entgegne ich.
„Ein partieller Weltuntergang sozusagen“, interpretierst Du.
„Sozusagen. So etwas wie ein Frühjahrsputz“, erkläre ich.
„Willst Du Dich darauf einlassen, mit mir?“, fragst Du.
„Mit Dir will ich mich auf alles einlassen, sogar auf den Weltuntergang“, sage ich bestimmt.
„Hand in Hand, nicht in den Sonnenuntergang …“, meinst Du.
„ … sondern in den Sonnenuntergang“, vollende ich Deinen Satz.
„Und keine Angst vor dem Kommenden …“, sagst Du.
„ … sondern davor, dass alles so bleibt wie es ist“, ergänze ich.
„Leben im Hier und Jetzt …“, sagst Du.
„ … und in der Begegnung“, setze ich hinzu.
„Du mit mir …“, sagst Du.
„ … und Du mit mir“, schließe ich.
„Und wir sind bereit, selbst für den Weltuntergang“, sagst Du lächelnd.

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