Immer und immer wieder sieht sie
auf die Uhr, während sie verbissen und mit zusammengekniffenen Lippen den Wagen
durch den immer dichter werdenden Verkehr und Schneefall lenkt. „Ich komme ganz
bestimmt zu spät.“, denkt sie verärgert, „Wo wollen die bloß alle hin, bei so
einem Wetter? Egal, ich muß das schaffen, muss einfach, denn ich will Dich
wiedersehen.“ Davon ist sie felsenfest überzeugt. Schließlich muss es so sein,
und doch ist da ein kleiner Anflug von Bitterkeit in ihrem Herzen. Schnell
verscheucht sie diese, indem sie sich verkrampft auf den Verkehr konzentriert,
und auf das, was so zu sein hat, auf ihre Freude. Endlich hat sie den Bahnhof
erreicht, und sie findet – was sie kaum für möglich erachtet hatte – einen
Parkplatz, noch dazu, direkt vor dem Eingang. Ein letzter Blick auf die Uhr –
noch zwei Minuten. Sie hechtet die Treppe hinauf, genau in dem Moment, in dem
der Zug einfährt. Menschen steigen aus, viele, viele Menschen, doch sein
vertrautes Gesicht findet sich nicht darunter. Nach und nach werden die
Menschen, die aussteigen, spärlicher, bis auch der Letzte den Weg hinaus
gefunden hat. Er ist nicht dabei. Sie sucht nach Traurigkeit oder wenigstens
Enttäuschung, doch zu ihrer eigenen Überraschung findet sie keines von beidem,
vielmehr macht sich da so etwas wie Erleichterung in ihr breit und nimmt sie
ein. Ganz allein steht sie auf dem Bahnhof und atmet Erleichterung und versteht
sich selbst nicht mehr. Nein, ganz alleine ist sie nicht. Ein paar Meter von
ihr entfernt steht einer. Sie kann ihn nur schwer erkennen, im Schein der
einzelnen Kerze, nur seine Augen, die ihr sanft erscheinen. Hat er auch
jemanden holen wollen, der nicht gekommen ist oder hat ihn niemand abgeholt?
„Willkommen zu Hause.“, sagt sie unvermittelt. „Danke.“, antwortet er, und was
sie erhellt ist nichts, als eine einzelne Kerze.
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