1511 Rosen ranken

Rosen ranken

Tief verwurzelt in der Erde. Sie hatten Zeit, sich auszubreiten, unter der Erde, dass sie dem keimenden Stamm Kraft und Stütze sind, dort, an der äußeren Mauer meiner Burg, tief verwurzelt, dass sie sich erheben können, sich ausdehnen, ihren Stamm treiben und wachsen, an der Mauer sich stützend, immer weiter und weiter empor bis zu der höchsten Zinne, alles mit ihrer Anmut bedeckend. Blatt reiht sich an Blatt, und dazwischen, zunächst verborgen, nicht zu unterscheiden von der Farbe der Blätter, die zarten Knospen. Nicht lange und sie brechen auf, zeigen sich in sattem Lila, der Welt und der, der Augen hat zu sehen. Gehalten von den Wurzeln und sich schmiegend an die robuste Mauer, können sie es wagen, sich zu erheben, den Raum zu erobern, sanft umschmeichelnd. Nicht mit harter Kraft, sondern mit der stillen, sanften des Lebens wachsen sie empor. Immer weiter und weiter.

Tief verwurzelt im Vertrauen, dass es Menschen gibt, die mir die Hand reichen, im Vertrauen an mich selbst, in dem, was mir Heimat ist, wer mir Heimat ist. Über die Jahre habe ich immer und immer Momente dazu gewonnen, die meine Wurzeln wachsen ließen, die mir Vertrauen schenkten, die mich atmen ließen und mir zeigten wie wunderbar es ist, dieses Leben. Du bist mir der Halt, an dem ich wachsen kann. Sanft umschlinge ich Dich mit meinen Ranken, langsam und nachhaltig. Willst Du sie nicht, so ist es Dir ein leichtes sie abzuknicken, abzureißen, doch niemals vermagst Du die Wurzeln zu erreichen, zu beschädigen, denn sie schlängeln sich im satten Humus des Ur-Vertrauens, im Schoß des Lebens, in der Öffnung der Ur-Mutter. Immer wieder werden sie nachwachsen, weiterwachsen. Trotzdem, ja, zum Trotz, wenn es sein muss, breite ich meine Arme aus, wachse fort, hinaus in die Freiheit der Möglichkeiten, wachse in der Begegnung mit Dir, in der Einzigartigkeit und der Freiheit, wachse in der Gewissheit des Schützenden, das sich mir nicht nimmt, weil es immer da war.

Tief verwurzelt im Leben, das sich mir hin öffnet, weil ich mich ihm hin öffne, anzunehmen und zu staunen. Zu verzeihen und zu geben, wie mir verziehen und gegeben wurde. Wachse fort und unter der Wärme Deiner Zuwendung, Deiner Ansprache, entfalte ich mich, strahlend wie die jungen Blüten. Hungrig, unersättlich nach dieser, Deiner Zuwendung und Ansprache, die mich nährt und mich immer fort wachsen lässt, so dass selbst die Sterne greifbar scheinen.

Tief verwurzelt in der Hoffnung, dass Du mich weiter stützt und hältst, und doch, wenn es nicht mehr so wäre, wenn Du meine Äste und Blüten und Blätter abhackst bis zum letzten Stumpf, bleiben die Wurzeln fest verankert. Vielleicht muss ich mich erst erholen, genesen von dem Schmerz. Nein, ganz sicher muss ich mich erholen, genesen, doch es geht vorüber, der Schmerz wird nachlassen, denn das Leben selbst treibt mich, wieder zu wachsen und zu werden. Meine Wurzeln, die kannst Du nicht antasten. Darauf hast Du keinen Einfluss, da sie dem Leben selbst entsprießen.


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