Lass mich einfach nur da sein
Verstohlen, wie der Dieb in der Nacht, wie
die heimliche Geliebte, stehle ich mich zu Dir. Du schläfst. Ich höre Deinen
gleichmäßigen Atem und sehe Deine ruhigen Gesichtszüge. Entspannt liegst Du,
weich gebettet. Vorsichtig, ganz vorsichtig schlüpfe ich zu Dir unter Deine
Decke, denn ich will nicht, dass Du aufwachst, bloß nicht, dass Du aufwachst.
Nicht, dass ich Deine wache Gegenwart nicht wollte, aber der Schlaf lässt Deine
Züge weich und sanft werden. Ich will Dich nicht herausreißen, nicht jetzt. Seit
Stunden schon finde ich keine Ruhe und keinen Halt für meine Gedanken. Seit
Stunden treibt mich eine unerkannte Unzufriedenheit, die sich nicht umgehen
lässt, die mich weiter zwingt, immer weiter und weiter, um dennoch nichts
Ordentliches auszurichten, weil meine Gedanken herumschwirren wie ein Schwarm
wildgewordener Bienen. Wut steigt in mir auf, Wut über die Unfähigkeit mich
selbst unter Kontrolle und auf ruhige Bahnen zu lenken. So durchwandere ich die
Nacht, oder besser ich hetze durch sie hindurch, als wäre ich auf der Flucht –
doch mir selbst kann ich nicht entkommen. So komme ich zu Dir.
Verstohlen, wie der Dieb in der Nacht, wie
die heimliche Geliebte, stehle ich mich zu Dir, und schlüpfe zu Dir unter Deine
Decke. Langsam beginnen sich die Wogen in mir zu glätten und die Wolken
verziehen sich. Lass mich einfach da liegen, neben Dir liegen, während Du
schläfst. Du sollst es gar nicht wissen, dass ich da bin. Unbehelligt will ich
sein in meinem da sein, auch von Dir, will nichts weiter, als Dich ansehen und
Dich mir nahe spüren, mich wärmen an Deiner Wärme, mich träumen in Deine
Träume, mich verlieren in Deiner Nähe, denn hier komme ich endlich zur Ruhe.
Alles was ich auf mich häufen ließ an diesem langen, langen Tag, kann ich zur
Seite schieben, kann spüren, wie ich leicht werde. Nicht, dass ich mich nicht
angenommen wüsste, wenn Dein Blick auf mich gerichtet ist und Du mir Deine
Annahme wortlos sprichst, aber ich will das Geheimnis wahren, das hinter Deinen
verschlossenen Augenlidern wohnt, ohne es enträtseln zu wollen, will einfach da
sein, bei Dir.
Verstohlen, wie der Dieb in der Nacht, wie
die heimliche Geliebte, stehle ich mich zu Dir. Du schläfst ruhig weiter, auch
nachdem ich zu Dir unter Deine Decke schlüpfte. Wie schön, Du bist tatsächlich
nicht aufgewacht. Keine Veränderung ist an Dir zu erkennen. Ich liege auf der
Seite und sehe Dich einfach nur an. Verspüre Lust, Dir die Locke, die sich über
Deine Wange gelegt hat, wegzustreichen. Verspüre Lust, Dir ein Lächeln
abgewinnen zu wollen. Aber war es da nicht? Hat sich da nicht ein kleines
Lächeln gezeigt? Schläfst Du vielleicht doch nicht? Spielst Du mir nur etwas
vor? Aber nein, ruhig und gleichförmig geht Dein Atem. Vielleicht spürst Du
mich bei Dir bis hinein in die Welt Deiner Träume, in die Welt des Schlafs.
Vielleicht ist es auch gut für Dich, dass ich da bin, ohne, dass Du aufwachst.
Verstohlen, wie der Dieb in der Nacht, wie
die heimliche Geliebte, stehle ich mich zu Dir.
Sanft gebettet unter Deiner Decke und
Deiner Nähe, wandelt sich der Sturm, der in mir tobt in eine sanfte Brise und
die Gedanken, die mich verwirrten, finden wieder Halt. Ich will nichts als da
sein, wenn Du schläfst, nichts als da sein, auch wenn Du mich nicht bemerkst,
nichts als da sein und teilhaben an Dir.
Lass mich einfach nur da sein.
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