Dia.log (2): Eintauchen in
den Fluss der Worte
Und wir sehen einander an, die Blicke finden sich, und
die Welt um uns wird endgültig verschlungen von diesen Gräben, diese Welt der
Taxierungen und Vorverurteilungen, diese Welt des Es und des Man, diese Welt
des Habens und Besitzens, diese Welt der Kategorien und Schubladen, diese Welt
der Kälte und Ferne, diese Welt der Geworfenheit und Unbehaustheit, versinkt in
die Belanglosigkeit, in der sie schon immer war, wenn wir uns finden und nichts
weiter voneinander wissen als dieses eine kleine Wort, Du. Namen nehmen Raum,
legen fest. Herkunft setzt Dich an einen bestimmten Platz, lähmt Dich. Stellung
lässt Dich eindimensional erscheinen, halbiert Dich. Nur das eine Wort, das mit
dem ganzen Wesen gesprochene, das Du, setzt Dich in Bewegung und lässt Dich in
Deiner Ganzheit und Vielfalt, setzt Dich frei zu Deinen innersten
Möglichkeiten. Wie befreiend ist es doch, das Du zu sprechen aus dem
Ur-Vertrauen jenes Anfangs, in dem das Inter-esse ein existentielles war und
das Ver-stehen wollen ein immanentes. Und während wir langsam umspült werden
von den Worten, die dem Du-Sagen entfließen, wird auch die Welt bunt, da sie
das Echo des Du-Sagens ist, wie ein vielstimmiges, allem Seienden entrungenes Gloria,
das wetteifert darin sich uns zu öffnen, die das Sehen wiedererlernten,
eingetaucht in den Ur-Fluss des Wortes, dem alles Sein entsprang, Fundament
tragend und in die Behaustheit wölbend. Nur das eine Wort, das Du, das alle
anderen in sich trägt und alle anderen aus sich gebiert, das Worten Wirkkraft
gibt, so lange sie aus dem Du werden und nicht in die Unverbindlichkeit und
Armut des Es zurückrutschen.
Und so treten wir ein, in den Raum, in dem das Wasser des
Wortes flutet, uns umflutet und umschmeichelt, treten wir ein und stehen darin,
bleibend, werdend, seiend, in Wellen wie das umgebende Wasser, in sich ruhend
und immer in Bewegung, in sich gleich bleibend und immer neu sich formend.
Während wir uns demütig staunend dem Wunder dessen überlassen, das die
Du-Werdung impliziert, dieser Renaissance, mitten im Leben, ganz gleich ob zu
Anfang, in der Mitte oder auch nur im letzten Moment bevor es wieder
fortgespült wird in die Unendlichkeit der Ruhe und endgültigen Vergessenheit.
Selbst wenn es das letzte Wort ist, das sich uns entringt, ja selbst dann wenn
es nur mehr ein letzter Gedanke, ein letztes Sehnen ist, ist dieser Moment ein
gelebter, und das Leben wird im Du-Werden in der Annahme der Unbedingtheit und
Unhintergehbarkeit des Du.
Und während uns noch kurz der Gedanke streift, dass es da
einmal war, das Es und das Man der Unbedeutsamkeit und auch gleich wieder
abperlt, da es nicht mehr ist, da das Tote von abgestreift wurde wie die zu eng
gewordene Haut einer Schlange, da wir das Leben atmen.
Und der Fluss der Worte, der uns umspült, durchdringt und
einander zuträgt, nimmt uns ein in seine Form, lässt uns Fluss werden und
Wasser und Entgrenzung, ohne sich zu verlieren. Die Worte fließen wie von
selbst als hätte es nichts gegeben zuvor, und könnte nicht mehr anders sein, in
einer anderen Zeit, denn selbst wenn ich das Du nie wieder sprechen dürfte, Aug
in Aug mit Dir, so bin ich es doch und spreche es mit mir, im Je-Jetzt der
Gleichzeitigkeit, die die Kontinuität der Zeit als Gegebenheit aufbricht und
unsinnig werden lässt, da das Leben nicht geschieht, nicht mit der Zeit, nicht
gegen sie, sondern sie sich formend.
Eintauchen in den Fluss der Worte, die dem einen, einzigen,
Leben, Wärme und Atem schenkenden Wort entspringt, dem Du.
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