1401 Der Pinselmacher (Teil 2):


Eine außergewöhnliche Kundin


„Es war nicht immer so gewesen.“, begann Franz Xaver Fent zu erzählen, „Es muss wohl schon viele, viele Jahre her sein. Ich war damals zwar ein junger Pinselmacher-Meister, aber schon erfolgreich genug meinen eigenen Laden eröffnen zu können. Meine Schwester erklärte sich bereit die Verkaufstätigkeit zu übernehmen, so dass ich mich auf die Fertigung konzentrieren konnte. Schon immer verwendete ich ausschließlich Materialien bester Qualität, und ließ mich davon auch nicht abbringen. Zunächst hatte ich zu kämpfen und das Geschäft ging mehr schlecht als recht. Dies änderte sich erst als ein hiesiger, sehr berühmter Maler auf mich aufmerksam wurde. Er war der Meinung, dass er seine Arbeit nur mehr dadurch noch perfekter werden lassen könnte, wenn es ihm möglich war noch besseres Werkzeug zu finden. Dieses fand er bei mir. Nachdem jeder, der in der Kunstszene auf sich hielt, dem Meister nachzueifern suchte und dieser mit seiner Entdeckung nicht hinterm Berg hielt, war meine Arbeit und damit ich quasi über Nacht berühmt geworden. Jeder Maler, ob nun Profi oder Amateur, wollte bei mir seine Pinsel kaufen, so dass ich mit der Fertigung kaum nachkam. Ich verließ meine Werkstatt so gut wie nie, doch dann passierte etwas, was mich zunächst völlig aus der Bahn warf.

Es ist, als wäre es gerade eben erst geschehen, so nahe sind mir die Ereignisse nach wie vor, eingebrannt in mein Gedächtnis, unhintergehbar, unwiderruflich. Ich hatte eben erst meine Mittagspause beendet und mich meiner Arbeit wieder zugewandt, als ich durch das polternde Öffnen der Ladentüre aus der Konzentration gerissen wurde. Zwei Mädchen traten ein. Ich wandte mich wieder meiner Arbeit zu, doch nicht für lange, denn zwischen meiner Schwester und einem der beiden Mädchen entspann sich ein lautstarker Diskurs. ‚Sie meinen doch nicht im Ernst, dass ich mir mit solch einen harten Pinsel Furchen in meine zarte Haut ziehe. Womit mein Vater seine Leinwände malträtiert ist seine Sache, aber wenn es um mein Gesicht geht, nun da erwarte ich mir doch etwas Besseres.’, polterte das eine der beiden Mädchen. Offenbar handelte es sich um die Tochter jenes berühmten Malers, dem ich meinen Erfolg zu verdanken hatte. Die wildesten Gerüchte rankten sich um ihre Person. In einem Punkt waren sich, dass sie als äußerst launenhaft und egozentrisch beschrieben wurde. Ich beschloss meiner Schwester beizustehen: ‚Guten Tag, meine Damen.’, sagte ich höflich, ‚Kann ich Ihnen helfen?’ Zwei Mädchen, ungefähr in meinem Alter, hochgewachsen und schlank, wobei die eine mich herausfordernd mit ihren blauen Augen anblitzte, während sie ihr langes, blondes Haar energisch nach hinten warf. Ihre Erscheinung und ihr Auftreten waren raumfüllend, so dass rund um sie alles zu versinken schien, wohingegen ihre Begleiterin ruhig und gelassen blieb und mich dennoch sofort in ihren Bann zog. . Ich versank in ihren sanften, grünen Augen. ,Einmal nur diese Wangen streicheln, einmal nur dieses lange, satte, braune Haar bürsten dürfen.’, dachte ich, verloren in einem Traum, der mir so unerfüllbar schien wie die Rückholung des gestrigen Tages. ‚Beruhige Dich doch, Felicitas.’, schaltete sich nun die Freundin erstmals ins Gespräch ein, und ihre Stimme war ebenso sanft wie ihre ganze Erscheinung, ‚Sag doch einfach was Du möchtest.’ Seltsamerweise gelang es ihr wirklich ihre Freundin durch diese wenigen schlichten Worte ein wenig zu besänftigen. ‚Ich möchte einen Make-up Pinsel, der meine Haut nicht beleidigt.’, sagte Felicitas folgsam. ‚Geben Sie mir fünf Tage Zeit und ich lege Ihnen einen Pinsel vor, der Ihre Haut nicht nur nicht beleidigt, sondern sie vielmehr umschmeichelt und verwöhnt, gleich einer sanften Berührung.’, bot ich an, ‚Wenn Sie also in fünf Tagen wieder kommen, können Sie diesen Pinsel in Augenschein nehmen.’, fügte ich rasch hinzu. ‚Nein, das werden wir ganz bestimmt nicht tun!’, brauste nun Felicitas auf, ‚Wenn, dann kommen Sie zu mir, denn ich werde diesen Weg nicht noch einmal auf mich nehmen, bloß um irgendeinen Pinsel zu begutachten.’ ‚Sehr gerne.’, antwortete ich rasch, denn ich wäre wohl bis ans Ende der Welt gefahren, hätte auch nur die vage Aussicht bestanden sie wiederzusehen, und dabei kannte ich noch nicht einmal ihren Namen. ‚Dann in fünf Tagen bei mir.’, bestätigte Felicitas, und damit verließen sie das Geschäft.

Die kommenden fünf Tage waren die längsten und die kürzesten meines Lebens zugleich. Die längsten, weil ich es kaum erwarten konnte sie, deren Anblick und Stimme, mich so sehr in ihren Bann gezogen hatte, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte. Die kürzesten, weil ich meine ganze Kunst daran verwandte den perfekten Pinsel zu kreieren. Ich arbeitete bis spät in die Nacht und saß im Morgengrauen schon wieder in der Werkstatt, und als ich am Morgen des fünften Tages den Pinsel in Händen hielt, wusste ich, er war perfekt.

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