2301 Ehe ich michs versah


Ehe ich michs versah


Ehe ich michs versah, war es passiert. Hätte ich auch nur geahnt, ja nur den Funken einer Ahnung gehabt, wohin das führt, ich hätte die Finger davon gelassen. Warum habe ich es nur nicht getan?, dachte ich unentwegt, als ich in dieser Nacht wach lag, gebeutelt von Unruhe und mentaler Pein. Nein, es war kein körperlicher Schmerz. Der saß nur in meinem Kopf, nicht einmal in Form von Kopfschmerzen, sondern bloß als sich immer und immer wieder sich neu formende Gedanken. Ich denke, der letzte ist versiegt, und jetzt kommt ein neuer. Er formt sich, baut sich auf und dann, ist es genau der selbe wie der zuvor. Es geht nicht weg. Natürlich sind körperliche Schmerzen nicht angenehm, und doch bis zu einem gewissen Grad diesen im Kopf vorzuziehen, denn sie betäuben die Gedanken und machen es möglich ihn tatsächlich räumlich zu lokalisieren und an etwas festzumachen, doch die Pein im Kopf, die ist körper- und ortlos, ein Vagabund, der immer irgendwo anders auftaucht, doch er taucht auf. Vieles begann ich zu verstehen, auch die Flucht von einem Schmerz in den anderen, aber ich trug es, wich nicht aus. Dabei hatte alles so harmlos angefangen. Nachdem ich am nächsten Tag eine längere Autofahrt auf mich zu nehmen hatte, wollte ich mir die Zeit versüßen, denn es gibt wohl nichts langweiligeres als Autofahren. Nichts kann man tun, außer sich um sich und die anderen Verkehrsteilnehmer zu kümmern. Das eine Mal würde doch nichts machen, dachte ich damals, doch als ich zurückkam ließ ich es nicht im Auto, sondern nahm es mit mir mit auch zum Spazierengehen, und irgendwann war es auch Abends. Nun gut, sagte ich mir, dann verbrauchst Du das, was Du hast auf und dann ist endlich wieder Ruhe. Mit Feuereifer folgte ich meinem eigenen Rat. Natürlich musste ich dafür sorgen, dass es so schnell wie möglich aufgebraucht sei. Eines Nachts konnte ich nun mit äußerster Zufriedenheit feststellen, jetzt war es überstanden, jetzt war es vorbei, und so schlief ich ein. Tagsüber war der Verzicht noch relativ leicht, doch abends, da kam es, und nachdem das Tagewerk getan war und ich die Hände müßig in den Schoß legen konnte, da war er da, der Gedanke, der dann immer wieder kommen sollte. Unruhig und zerfahren lief ich hin und her, denn ich konnte weder sitzen noch liegen, konnte mich auf nichts konzentrieren. Dass das so enden musste, das hätte ich niemals geglaubt, nachdem ich mich für eine starke Persönlichkeit gehalten hatte, bis zu jenem Abend, und ich wusste, dass ich vielleicht diese eine Nacht überstehen würde, irgendwie. Im schlimmsten Fall müsste ich zu starken Mitteln wie Milch mit Honig greifen, doch morgen, morgen würde ich mir Nachschub besorgen. Ja, ich gebe es zu, in dem Moment vergaß ich alle guten Vorsätze. Mehr noch, ich warf alle Selbstachtung über Bord, und so schlief ich doch irgendwann ein. Heimlich musste es geschehen. Quälende Betätigungen am Morgen, bis ich endlich alleine war. Sofort setzte ich mich ins Auto. Natürlich sah ein Teil von mir, dass es nicht richtig war, dass ich eigentlich bleiben sollte und versuchen damit fertig zu werden, doch ich konnte mich nicht zurückhalten. Eine kurze Fahrt war notwendig, doch mir erschien es wie eine Ewigkeit. Was, wenn es das, was ich wollte, gerade nicht gab? Was, wenn ich zu spät käme und zu viele schneller als ich gewesen wären? Quälende Fragen, auf die ich keine Antworten wusste. Etliche Minuten drehte ich mich im Kreis, respektive das Auto auf der Suche nach einem Parkplatz. Ich sah es als Wink des Schicksals, als ich tatsächlich endlich einen. Ich versuchte meinen Schritt zu bändigen, doch es gelang mir nur sehr schwer. Immer wieder verfiel ich in einen leichten Laufschritt, und sobald ich die Türe hinter mir geschlossen hatte und ich erkannte, dass außer mir niemand im Treppenhaus war, kannte ich kein Halten mehr. Ich stürmte die Treppe hinauf, ging in den nächsten Raum und visierte mein Ziel pfeilgerade an. Und dann war es da, so viele. Ich sicherte mir so viele ich konnte und ließ mich erschöpft auf einen Sessel fallen. Ich spürte wie mein Herz endlich wieder seinen normalen Rhythmus fand und mein Blick nicht mehr dem eines Raubtiers glich. Acht Romane von Agatha Christie hielt ich in Händen. Stoff genug für etliche Nächte. Doch was würde dann sein? Darüber würde ich nachdenken, wenn es so weit wäre.

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