Ehe ich michs versah
Ehe ich michs versah, war es passiert.
Hätte ich auch nur geahnt, ja nur den Funken einer Ahnung gehabt, wohin das
führt, ich hätte die Finger davon gelassen. Warum habe ich es nur nicht getan?,
dachte ich unentwegt, als ich in dieser Nacht wach lag, gebeutelt von Unruhe
und mentaler Pein. Nein, es war kein körperlicher Schmerz. Der saß nur in
meinem Kopf, nicht einmal in Form von Kopfschmerzen, sondern bloß als sich
immer und immer wieder sich neu formende Gedanken. Ich denke, der letzte ist
versiegt, und jetzt kommt ein neuer. Er formt sich, baut sich auf und dann, ist
es genau der selbe wie der zuvor. Es geht nicht weg. Natürlich sind körperliche
Schmerzen nicht angenehm, und doch bis zu einem gewissen Grad diesen im Kopf
vorzuziehen, denn sie betäuben die Gedanken und machen es möglich ihn
tatsächlich räumlich zu lokalisieren und an etwas festzumachen, doch die Pein
im Kopf, die ist körper- und ortlos, ein Vagabund, der immer irgendwo anders
auftaucht, doch er taucht auf. Vieles begann ich zu verstehen, auch die Flucht
von einem Schmerz in den anderen, aber ich trug es, wich nicht aus. Dabei hatte
alles so harmlos angefangen. Nachdem ich am nächsten Tag eine längere Autofahrt
auf mich zu nehmen hatte, wollte ich mir die Zeit versüßen, denn es gibt wohl
nichts langweiligeres als Autofahren. Nichts kann man tun, außer sich um sich
und die anderen Verkehrsteilnehmer zu kümmern. Das eine Mal würde doch nichts
machen, dachte ich damals, doch als ich zurückkam ließ ich es nicht im Auto,
sondern nahm es mit mir mit auch zum Spazierengehen, und irgendwann war es auch
Abends. Nun gut, sagte ich mir, dann verbrauchst Du das, was Du hast auf und
dann ist endlich wieder Ruhe. Mit Feuereifer folgte ich meinem eigenen Rat.
Natürlich musste ich dafür sorgen, dass es so schnell wie möglich aufgebraucht
sei. Eines Nachts konnte ich nun mit äußerster Zufriedenheit feststellen, jetzt
war es überstanden, jetzt war es vorbei, und so schlief ich ein. Tagsüber war
der Verzicht noch relativ leicht, doch abends, da kam es, und nachdem das
Tagewerk getan war und ich die Hände müßig in den Schoß legen konnte, da war er
da, der Gedanke, der dann immer wieder kommen sollte. Unruhig und zerfahren
lief ich hin und her, denn ich konnte weder sitzen noch liegen, konnte mich auf
nichts konzentrieren. Dass das so enden musste, das hätte ich niemals geglaubt,
nachdem ich mich für eine starke Persönlichkeit gehalten hatte, bis zu jenem
Abend, und ich wusste, dass ich vielleicht diese eine Nacht überstehen würde,
irgendwie. Im schlimmsten Fall müsste ich zu starken Mitteln wie Milch mit
Honig greifen, doch morgen, morgen würde ich mir Nachschub besorgen. Ja, ich
gebe es zu, in dem Moment vergaß ich alle guten Vorsätze. Mehr noch, ich warf
alle Selbstachtung über Bord, und so schlief ich doch irgendwann ein. Heimlich
musste es geschehen. Quälende Betätigungen am Morgen, bis ich endlich alleine
war. Sofort setzte ich mich ins Auto. Natürlich sah ein Teil von mir, dass es
nicht richtig war, dass ich eigentlich bleiben sollte und versuchen damit
fertig zu werden, doch ich konnte mich nicht zurückhalten. Eine kurze Fahrt war
notwendig, doch mir erschien es wie eine Ewigkeit. Was, wenn es das, was ich
wollte, gerade nicht gab? Was, wenn ich zu spät käme und zu viele schneller als
ich gewesen wären? Quälende Fragen, auf die ich keine Antworten wusste. Etliche
Minuten drehte ich mich im Kreis, respektive das Auto auf der Suche nach einem
Parkplatz. Ich sah es als Wink des Schicksals, als ich tatsächlich endlich
einen. Ich versuchte meinen Schritt zu bändigen, doch es gelang mir nur sehr
schwer. Immer wieder verfiel ich in einen leichten Laufschritt, und sobald ich
die Türe hinter mir geschlossen hatte und ich erkannte, dass außer mir niemand
im Treppenhaus war, kannte ich kein Halten mehr. Ich stürmte die Treppe hinauf,
ging in den nächsten Raum und visierte mein Ziel pfeilgerade an. Und dann war
es da, so viele. Ich sicherte mir so viele ich konnte und ließ mich erschöpft
auf einen Sessel fallen. Ich spürte wie mein Herz endlich wieder seinen
normalen Rhythmus fand und mein Blick nicht mehr dem eines Raubtiers glich.
Acht Romane von Agatha Christie hielt ich in Händen. Stoff genug für etliche
Nächte. Doch was würde dann sein? Darüber würde ich nachdenken, wenn es so weit
wäre.
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