Zähmung
So viele Anforderungen werden an mich
gestellt. So lange ich denken kann, immer wieder aufs Neue. Vielleicht habe ich
mir ab und an gedacht, dass ich das vielleicht nicht will, dass ich eigentlich
einen anderen Weg gehen möchte, aber da waren die Menschen, die ich liebe,
denen ich mich anvertraute, und denen ich glaubte, wenn sie mir sagten, sie
wüßten was gut für mich ist, sie wüßten wie das Leben so läuft und ich noch
nicht. Sie kennen mich besser als ich mich selbst, und sie hatten die besten
Absichten. Sicher und warm sollte ich gebettet sein, wie ein Wickelkind, damit
ich mich auch an keiner Kante stoße und mir keine blauen Flecken hole. Sie
wollten wir Schmerz ersparen und Kummer und Zurückweisung, wollten mit
einpacken in ihre Liebe und ihre Zuwendung. Und es ist gut darum zu wissen, gut
behütet zu sein. Doch es ist schlecht sich in der Behütung nicht rühren zu
können, und mein Herz hielt nicht still. Es begehrte auf gegen die Behütung und
die Sorge, begehrte auf, so dass ich ihm entweder folgen musste oder es
bezähmen, zum Schweigen bringen,, mit einem eisernen Band, das ich um es legte,
die eigenen Wünsche zu verleugnen, die eigenen Träume zu bezähmen, die eigenen
Hoffnungen zu begraben. Denn vielleicht haben sie ja recht, all die, die mitten
im Leben stehen, all die, die schon so viel mehr Erfahrung haben. Und die
Unsicherheit über meine eigenen Fähigkeiten, die eigenen Talente, ließen mich
das eiserne Band mit einem großen Schloss zuschließen, gewillt es für immer zu
behalten. Ruhe und ausgetretene Pfade, das bereits Gekannte, der Weg, der
geebnet ist und keine unangenehmen Überraschungen bereit hält. Den wollte ich
gehen. Der war gepflastert und befestigt, so dass er Sicherheit versprach. Ich
wollte ihn gehen, wollte es wirklich. Natürlich auch um meinetwillen, denn es
hat schon was für sich, diese Sicherheit, aber wahrscheinlich noch mehr denen
zu liebe, die sich so viel Mühe um mich gaben, die sich um mich sorgten und
mich liebten. Ich verstand, und wollte doch auch niemanden vor den Kopf stoßen.
Irgendwann, wenn die Zeit des Sturm und Drang in meinem Leben vorbei sein
würde, dann würde auch mein Herz endlich Ruhe geben. Das wächst sich aus, wurde
mir gesagt. Das ist ganz normal, aber wenn ich dann im echten, richtigen Leben
stehen würde, mit all seinen Anforderungen und Problemen und Sorgen, dann, ja
dann würde ich froh darüber sein, dass ich einen Weg gewählt hätte mit
Sicherheit und Verlässlichkeit, und mich nicht auf irgendwelche Experimente
eingelassen hatte, die doch nur in die Verirrung führen. Zumindest kann niemand
vorhersagen wohin es führt. Natürlich könnte es die Erfüllung sein, aber wie
viele haben das geglaubt und sind letztendlich untergegangen, haben sich auf
den Irrungen und Wirrungen des unbestrittenen Pfades vergangen, haben sich die
Knie blutig geschlagen und den Kopf, weil sie unbedingt mit dem selben durch
die Wand wollten. Ich ließ es mir sagen, und es machte mir Angst. Da war kein
Zutrauen und kein Glaube, dass es anders gehen könnte, dass es eine Möglichkeit
gäbe. Es war nicht schlecht, es war oft auch sehr gut. So viel Beruhigung und
so viel Vertrautes. Immer der gleiche Weg, vorgezeichnet von der Wiege bis zur
Bahre. Eine wunderbare Sache für den, dem es liegt. So einfach könnte es gehen.
Genau zu wissen was man zu tun oder zu lassen hat. Genau zu wissen, immer alles
ganz genau im Voraus zu wissen. Das bewahrt vor den Wunden und dem Schmerz.
Wenn man sich fügt und einpasst, dann kann man auch nicht verloren gehen. Dann
begegnen einem die Menschen mit Wohlwollen. Es ist beruhigend, mitten in der
Menge zu stehen und sich denken zu können, wenn ich umfalle, wenn ich jetzt
trotzdem umfalle, dann werde ich gehalten. Es ist beruhigend sich aufgehoben zu
wissen, wie ein Photo in der Vitrine. Ab und zu wird es abgestaubt, und das
eiserne Band saß fest, doch mein Herz wollte keine Ruhe geben, zu erst nicht
und auch dann nicht, als ich im richtigen, echten Leben stand.
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