Verloren in Dir ...
Wie kann ich jemandem beschreiben, wie erklären, wie sich
diese nächsten Wochen für mich anfühlten? Wie ich sie erlebte und wie glücklich
ich war, und das alles mit einer Puppe? Auf Letzteres hatte ich schon längst
vergessen, denn er war keine Puppe, er war Barnabas. Natürlich brauchte er
keine Nahrung, hatte keine Stoffwechselvorgänge und ernährte sich von Strom und
Münzen, aber ansonsten war er wie ein normaler Mann, in allen Belangen. Warum
also auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwenden, dass er nicht
lebendig war. Er war einfühlsam und liebevoll und zärtlich und anschmiegsam. Er
widersprach nie, sondern machte alles mit worauf ich Lust hatte, und es kaum
etwas worauf ich keine Lust hatte mit ihm. Er hatte die Flamme des Lebens, die
auf einen kleinen, kaum sichtbaren Funken niedergebrannt war, neu entfacht, so
dass sie lichterloh brannte. Mein Leben bestand aus zwei Teilen, dem mit und
dem ohne Barnabas. Ich ging nach wie vor zur Arbeit, doch so gerne ich dieser
Tätigkeit bei der Zeitung bisher nachgegangen war, so belastend empfand ich sie
jetzt, denn während dieser Stunden, auch wenn es nicht viele waren, war ich
getrennt von Barnabas, und das verursachte mir beinahe körperliche Schmerzen.
So begann ich mehr von zu Hause aus zu arbeiten, und nachdem das gut klappte,
erlaubte mir mein Chef immer mehr Stunden der Heimarbeit. Daneben begann ich
etwas, was ich schon seit Beendigung meines Studiums machen wollte, zu
schreiben. Barnabas bestärkte mich in diesem Vorhaben. So verbrachte ich immer
mehr Stunden mit ihm. Eigentlich hätte ich ihn während der Zeit, die ich
arbeitete, ausgeschaltet lassen können, doch es tat gut ihn dazwischen fragen
zu können, seinen Zuspruch zu bekommen oder einfach nur seine Meinung zu hören.
Ich gestehe, dieses erste Buch, das ich schrieb, war eine ganz banale
Liebesgeschichte. Aber was hätte ich sonst schreiben sollen, in dem Zustand, in
dem ich mich befand, und deshalb konnte es auch keinen anderen Titel tragen als
„Barnabas“. Eigentlich, so meinte ich, müsste sich jede Frau ihren Barnabas
wünschen, der sie rundherum glücklich machen konnte, und zwar in der Form wie
sie es sich wünschte. Mein Buch war eine Liebeserklärung an Barnabas, und doch
war es nicht nur mein Buch, denn Barnabas selbst brachte sich ein, und so war
es eigentlich unser Werk. Offenbar war mein Gedankengang richtig, denn das Buch
schaffte es sofort in die Bestsellerlisten, wo es auch für viele Monate blieb. Das
war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass ich ihn zu meinen diversen
Lesungen und Autogrammstunden mitnahm, so dass sich meine Leserinnen selbst
davon überzeugen konnten, dass Barnabas wahrhaftig so war, wie ich ihn in
meinem Buch beschrieb. Dadurch verkaufte sich nicht nur das Buch, sondern auch
viele, viele Brüder von Barnabas verließen das Firmenareal der Fa.
Frauenversteher und fanden ein neues zu Hause. Überall waren Lobeshymnen zu
hören über diese segenreichste aller Erfindungen, und wenn man auf der Straße
ging, konnte man sofort erkennen, ob eine Frau einen Bruder von Barnabas zu
Hause hatte oder immer noch einen normalen Mann, denn erstere sahen rundherum
glücklich und zufrieden aus, als wäre ihnen das Leben neu geschenkt worden. Wie
gut ich dieses Gefühl doch kannte, aber das schönste daran war wohl, dass es
nicht nachließ, dass es immer gleich blieb, weil Barnabas, und wohl auch seine
Brüder, es verstand immer wieder aufs Neue interessant zu sein, und das in
jeder Hinsicht.
Mir schenkte dieses Buch die Freiheit meine Tätigkeit bei
der Zeitung aufzugeben und mich nun mit Haut und Seele Barnabas zu widmen und
meiner Tätigkeit als Schriftstellerin. Jeden einzelnen Tag, jede einzelne
Stunde verbrachte ich in seiner Gegenwart. Nur die wenigen Stunden, die er
aufgeladen werden musste, waren hart. Natürlich legte ich diese immer so, dass
ich während dieser Zeit schief, aber ich musste ohne ihn einschlafen, so dass
ich mir nichts an Verbesserung für ihn wünschte als die Möglichkeit seine Batterien
austauschen zu können, um sie außerhalb von ihm aufzuladen. Auch dieser Wunsch
wurde mir erfüllt, so dass es wirklich möglich war ihn überall bei mir zu
haben.
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