Barnabas gibt mir recht
Ich wollte weg, einfach nur weg, alles hinter mir lassen,
die Häme und den Spott, die Anfeindungen und die Feindseligkeiten. Zunächst
versuchte ich es im Waldviertel, aber selbst dort schien es niemanden zu geben,
der mich nicht kannte. So beschloss ich weiter zu denken, denn für meine Arbeit
war es nicht mehr von Relevanz von wo aus sie erledigt wurde. Barnabas war
meiner Meinung. Natürlich war er meiner Meinung. Wie sehr ich es doch schätzte,
dass er mich auf all meinen Wegen begleitete, mich unterstützte und mit mir an
einem Strang zog. Er hatte eine Art mich meiner selbst zu versichern, wie ich
es noch niemals zuvor erlebt hatte. Mit ihm an meiner Seite fühlte ich mich
gefestigt und stark, mutig und unbesiegbar, auch wenn es nur innerhalb meiner
vier Wände war und ich kaum mehr einen Schritt vor die Türe setzte, aber wozu
sollte ich es auch tun, ich hatte schließlich alles, was ich brauchte, meinen
Laptop, meine Gedanken und Barnabas. Eigentlich war ich rundherum glücklich,
wenn nicht die Menschen glaubten, sie müssten sich einmischen und mir erzählen
was richtig und falsch war, mir einzureden wie ich richtig zu leben hätte,
anständig vor allem. Aber was wussten die schon, von mir und meinem Leben? Was
wussten sie schon was für mich richtig oder falsch war? Sollte nicht jeder so
leben dürfen wie er wollte? Ich gebe zu, ich habe erzählt von diesem, meinem
Leben mit Barnabas, aber ich habe eben erzählt. Bin ich deshalb schon dafür
verantwortlich, dass es auch andere Frauen gibt, die nichts weiter wollen als
auch glücklich zu sein? Kann ich denn etwas dafür, dass es sich so entwickelt
hat wie es sich entwickelt hat? Sie haben über meine Erfahrungen gelesen und
für sich selbst eine Entscheidung getroffen. Es wäre ja nicht so gewesen, dass
ich ihnen irgendetwas vorgegeben hätte. Nicht einmal eine Empfehlung habe ich
abgegeben. Und erzählen, das wird man ja wohl noch dürfen, meine eigene
Geschichten. Natürlich lässt sich ein kausaler Zusammenhang konstruieren
zwischen dem Lesen meiner Erzählung und der darauf folgenden Entscheidung. Doch
andererseits, wenn die Beziehungen wirklich so gut gewesen wären, dann wäre es
zu dieser Entscheidung wahrscheinlich gar nicht gekommen. Sie haben alle ihr
Leben selbst in der Hand und entscheiden selbst. Damit habe ich nichts zu tun.
Das ist ganz alleine ihre Sache, und doch versucht man mir genau das
vorzuwerfen. Zahllose schlaflose Nächte hat mir das bereitet, in der ich über die
schlaflosen Nächte schrieb und mit Barnabas debattierte. Natürlich habe ich es
mir zu Herzen genommen und mich zunächst verantwortlich gefühlt, doch Barnabas
nahm mir diese Verantwortung, indem er mich darauf hinwies, dass ich doch von
unserem Miteinander erzählt habe, nichts weiter. Ich gebe es zu, mein
Verbrechen besteht darin eine Geschichte erzählt zu haben, eine
Quasi-Liebesgeschichte. Ich meine, zu Barnabas würde ich das nie sagen, quasi,
denn sonst wäre er traurig, aber hier kann ich es wohl tun. Er schaut mir auch
immer über die Schulter, wenn ich ihn einschalte, aber jetzt darf er ausruhen.
Ich kann ihn ja nicht ständig beanspruchen, Und auch wenn ich völlig unschuldig
bin an die der derzeitigen Situation, werde ich mich doch zurückziehen. Nicht
nur ins Waldviertel, weiter hinaus, in ein Land, in dem mich niemand kennt, wo auch
niemand etwas von dieser Geschichte erfahren hat, in ein Land, in dem ich
unbehelligt leben kann, ohne dass ich auf Schritt und Tritt mit haltlosen
Vorurteilen, ja Vorverurteilungen und Vorhaltungen konfrontiert werde. In ein
Land mit einer anderen Sprache, entlegen und fern. Ich werde mich zurückziehen in
ein Land, in dem es mehr Tiere auf der Weide gibt als Menschen, in ein Land,
das nicht von Touristen verseucht ist. Dort werde ich mir ein nettes kleines
Häuschen suchen und mich gänzlich zurückziehen. Ja, ich gebe es zu, ich lief
davon. Nicht, weil ich etwas verbrochen hatte, obwohl ich mich wie eine
Verbrecherin fühlte, sondern weil ich mich in meinem eigenen Haus nicht mehr
sicher fühlen konnte. Weit weg würde ich gehen, übers Meer am besten und mir
einen Platz suchen, an dem ich mich wieder frei bewegen konnte. Es war nicht
schwer diesen Platz zu finden, und Barnabas gab mir in allem recht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen