Was nützt es ...
Was nützt es ein Kind zu retten, aus dem Elend, wegzuholen
von der Straße, aus der Kanalisation, aus einem Milieu voller Gewalt, Drogen
und Armut?
Was nützt es einem Hund eine Heimat zu geben, wenn Millionen
andere weiterhin vagabundieren, in Käfigen gehalten, ausgebeutet, für Kämpfe
missbraucht, für Textilien gehäutet und misshandelt werden?
Was nützt es zu helfen, ob der ungeheuren Zahl derer, denen
man nicht helfen kann, überhaupt zu helfen?
Wenn man durch die Straßen von Bukarest geht, auch heute
noch, speziell rund um Nordbahnhof, dann kann man sie sehen. Elende,
verdreckte, mit Grätze überzogene, mit Flöhen und Läusen übersäte Gestalten.
Wie Ratten leben sie in der Kanalisation oder in Abbruchhäusern oder in
stillgelegten Waggons. Viele von ihnen haben ein Sackerl in der Hand, gefüllt
mit Lack, an dem sie schnüffeln und deren Dämpfe das Nervensystem schädigen.
Doch es hilft ein wenig zu vergessen, das Elend und die Schmerzen, den Hunger
und die Armut. Ausgesetzt von den eigenen Eltern, weggeworfen wie Lumpen,
entsorgt und gedemütigt. Andere sind davongelaufen vor den Auswirkungen, die
der Alkohl auf ihre Eltern zeigte, die selbst zu verzweifelt waren um sich um
ihre Kinder zu kümmern. Ausgerissen aus Heimen, die ihnen ebenso wenig Schutz
vor Gewalt und Misshandlung bieten konnten wie die eigenen Eltern. Und manche
von ihnen sind erst fünf Jahre alt. Fühf Jahre, und doch schon ohne jegliche
Perspektive, chancenlos. Ohne die Möglichkeit eine Schule zu besuchen,
geschweige denn sie abzuschließen. Ohne die geringste Hoffnung später einen
Arbeitsplatz zu bekommen oder je ein geregeltes Leben zu führen. Und nicht nur
in Bukarest ist es so. Überall auf der Welt finden sich Kinder, die keiner
haben will. Kinder, die niemand vermisst, wenn sie nicht mehr da sind.
100.000.000 solcher Kinder soll es weltweit gegeben, Schätzungen zu Folge, und
wenn man zu ihnen hinabsteigt, hinab in die Kanalisation, zu sehen wie sie
leben. Und wenn man dann ein paar mitnimmt, ihnen ein zu Hause und Wärme und
Geborgenheit gibt, dann rettet man zwar so viele, wie es die eigenen
Möglichkeiten erlauben, doch noch viel mehr muss man zurücklassen. Man muss
zusehen, dass diese anderen keinen Ausweg haben. Was ist das schon zehn oder
hundert gegenüber all den anderen, denen man nicht helfen kann?
Was nützt es?
Und wenn es ein einziges Kind ist, ein kleines Mädchen oder
ein kleiner Junge, ein einziges Kind gegenüber 100.000.000, dann ist es ein
gerettetes Leben.
Und wenn man dieses Kind wieder lachen sieht und spielen,
wie alle anderen Kinder, die sich keine Sorgen machen müssen ob sie einen
Unterschlupf haben für die Nacht oder etwas zu essen, dann ist es ein
gerettetes Leben.
Und wenn man dieses eine Kind wieder voll Hoffnung sieht,
voller Pläne für die Zukunft, die es vorher nicht hatte, dann ist es ein
gerettetes Leben.
Es nützt diesem einen Kind, das nun wieder Kind sein darf
und nochmals eine Chance bekommt und Möglichkeiten sein Leben zu gestalten.
Es nützt diesem einen Kind, auch wenn es allen anderen nicht
nützt, dann diesem einen Kind.
Und wenn Dich dieses eine Kind ansieht, wenn Du es lächeln
siehst und es Dich umarmt, dann weißt Du, es ist nur eines unter vielen
anderen, aber eines mehr, als es zuvor waren.
Das nützt es.
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