0201 Die Freiheit, die ich meine ...


Die Freiheit, die ich meine ...


Nein, ich habe es mir nicht ausgesucht, wurde nicht gefragt, ob ich das will, zu leben, so wie ich es mir dereinst nicht aussuche, nicht gefragt werde, wenn ich es wieder lassen soll, das leben. Ungefragt, ungewollt und unvermutet – so könnte ich es als Beweis der Willkür sehen, als eine Belastung, die mir aufgebürdet wurde, die ich mit Verweigerung beantworte. Aber wem schade ich damit? Wohl kaum dem, der mich nicht fragte, sondern nur mir selbst. Jedem, der mir begegnet, stecke ich an mit meiner Verweigerung. So besteht der erste Akt meiner Freiheit in der Zustimmung oder Ablehnung meiner Selbst, in der Interpretation des Lebens als Bürde oder als Geschenk. Ich nehme es als Geschenk. Ändert die Sichtweise denn irgendetwas? Die nackte Tatsache, dass ich ins Leben gesetzt wurde, wird durch meine Sichtweise nicht abgeändert? Die Tatsache nicht, aber meine Herangehensweise und den Umgang damit, den Umgang mit dem Leben, mit mir und mit Dir. Ich nehme das Leben als Geschenk, das Leben und jede einzelne wache, gelebte Nacht, jede einzelne wache, gelebte Begegnung, wie diese Nacht. Du hast mich besucht, in dieser Nacht, hier auf meinem Steg. Du hast mich besucht, und bist doch nicht angekommen, zunächst. Was war es, was Dich zu mir trieb? Es war wohl die undeutliche Erinnerung an einen Moment der Freiheit, den Du erleben durftest, dereinst. Ich sah, dass Du neben mir gesessen bist, habe gehört, dass Du mit mir gesprochen hast, aber mit den Gedanken, mit Deinem Kopf warst Du ganz weit weg, dort, wo Du aufgehört hattest, obwohl Du noch nicht fertig warst: „Wenn Du da bist, dann lasse es Dir zu da zu sein, und wenn Du gehen willst, dann geh, aber sei nicht da, und doch weg. So kannst Du hier und dort nichts ausrichten.“, sagte ich Dir zu, nahm Deine Hand, und ich spürte, wie Du leicht wurdest, meine Offenheit, in dem Du Dich mir öffnetest. Es ist die Freiheit, die ich meine, mir Du sein zu wollen, oder mich in die Reihe Deiner Erfahrungen einzugliedern. Es ist die Freiheit, die ich meine, mich Dir und Dich mir zu erkennen, beim Namen zu nennen – und die Begegnung als eine lebendige zu gestalten. Es ist die Freiheit, die ich meine Dich zu empfangen, klar und ungeheuchelt. Geschenk oder Bürde – es ist die Freiheit, die ich meine.

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