Vor dem Anfang und
nach dem Ende der Worte
Du hast meine Nacht auf den Kopf gestellt. Unversehens hast
Du sie mir entrissen, und aus meiner unsere gemacht. „Kommst Du wieder?“, habe
ich Dich gefragt, als Du mich mit der Nacht verlassen hast, und Deine Antwort
blieb aus. Oder doch nicht? Du hast nichts gesagt, doch Du hast mich angesehen,
hast mich mit Deinen Augen im Blick gehalten, im Augenblick, und Deine Hand
strich durch mein Haar, durch mein Haar und über meinen Rücken, hast mich zu
Dir gezogen, ganz nahe, Dich zu erspüren, aber gesagt, nein, gesagt hast Du
nichts, nicht mit Worten, doch im Ungeworteten, im Wort des vor dem Sprechbaren
liegt, im Wort, das sich zwischen dem ewigen Gerede Bahn bricht und in dem
Wort, das dort ansetzt, wo alles Sprechbare sein Ende findet. Du hast mich an-
und Dich mir zugesprochen im Druck Deiner Hände, im Umfangen Deines Blicks, in
der Übergangslosigkeit von Körper zu Körper und im warmen Hauch Deines Atems.
Dann bist Du gegangen, weg aus dieser Nacht, die nicht mehr meine, sondern
unsere war, um wieder zu kommen, in dieser neuen Nacht, die ich mit Ungeduld
herbeisehnte, um sie abermals zu opfern, sie ins Wir zu schenken, hier an
meinem Steg – und der Mond war der einzige Zeuge. Wohl, wir plauderten über
dies und das, denn noch waren wir nicht so weit, dass wir die Stille gemeinsam
ertrugen. Zunächst regiert das gesprochene Wort, das uns uns annähern läßt, und
doch nichts weiter intendiert als der Zuwendung Ausdruck zu verleihen. Nicht
das Thema, nicht die angesprochenen Dinge, nur die Schwingung des
Auf-einander-zu verleiht diesem Herantasten Wert und Sinn. Bis zu dem Punkt, an
dem das sagbare, das in elementare Wort fassbare, endet, an dem Punkt, an dem das
eigentliche Sprechen beginnt. Dort, wo es nichts mehr zu sagen gibt, dort wird
die Stille zum Träger des Wortes von Du zu Du, schwingend, verbindend, atmend,
lebendig und lautlos, doch vor allem unmißverständlich. Das gesprochene, der
Syntax unterworfene Wort, läßt immer einen Interpretationsspielraum, und ist
darin fehlerhaft. Es ist wohl die einzige, aber doch nur eine Krücke, die uns
unterstützt den Weg zueinander zu bewältigen.
Makellos, sündlos ist nur das Wort, das sich Dir spricht,
gesprochen mit dem ganzen Wesen, gesprochen mit mir selbst als Du-zugewandt. Du
– als das Wort des Schöpfers, das uns ins Leben setzte. Du – als das Wort, das
Dich mir ins Leben setzt – spreche mit meinen Händen, mit meiner Seele.
Spreche, alles je Sprechbare nochmals in sich fassend. Spreche Ganzheit –
nichts weiter, und doch mehr als alles.
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