Nichts als Illusion
Weißt Du noch, damals, als wir uns kennenlernten, damals,
als wir uns ineinander verliebten, als wir in dieser Phase waren, in der wir
bereit gewesen wären füreinander die Welt aus den Angeln zu heben, da sprachen
wir von einem Für immer, weil wir tief und fest daran glaubten, daran, das sich
niemals wieder etwas ändern konnte.
Nichts als Illusion!
Doch wenn wir damals, ja damals schon, ständig voneinander
wegbewegt hätten. Wenn wir nicht gemerkt hätten, im Übereifer der Irrnisse und
Wirrnisse, in ein namenloses Morgen entschlüpfen zu müssen, dann, ja dann
hätten wir sehen können, dass der Moment uns Für immer Jetzt ermöglicht hätte,
und
keine Illusion!
Weißt Du noch, mein Kind, damals, als ich Dich zum ersten
Mal im Arm hielt, den Moment, von dem an ich wußte, dass ich Dir Für immer auf
eine Weise verbunden sein würde, auf die ich mit niemandem sonst verbunden bin,
da wünschte ich mir, dass diese Symbiose für immer anhalten würde. Nichts
durfte sich ändern, doch Du bist groß geworden, und mit jedem Schritt, den Du
in Dein Leben gingst, jammerte ich der vermeintlich gebrochenen Verbundenheit
nach.
Nichts als Illusion!
Doch wenn ich bereit gewesen wäre, Deine Schritte hinein in
Dein Leben, mit Dir zu gehen, mal mit mehr, mal mit weniger Distanz, so wie Du
es gebraucht hättest, dann hätte ich bemerkt, dass unsere Verbundenheit nicht
gelitten hat. Nur die Art und Weise des Umgangs hat sich verändert. Dann hätte
ich gesehen, wie Du wuchst und reiftest, zu Dir selbst, und ich hätte Dich
unterstützt. Dann hätte sich nichts geändert. Dann hätte ich ein Für immer
ermöglicht,
und
keine Illusion!
Damals, als wir uns das erste Mal begegneten, da legte ich
mir sofort ein Bild von Dir zurecht in meinem Kopf, von dem ich nicht mehr
abrückte, und hielt auch dann noch daran fest, als die Wahrheit schon längst
durchgesickert war, die ganz banale Wahrheit, dass Du Du bist und nicht mein
Bild von Dir in meinem Kopf, und ich warf Dir vor, dass Du Dich verändert
hattest und nicht mehr so warst wie in diesem Damals.
Nichts als Illusion!
Doch wenn ich in diesem Damals die Offenheit gehabt hätte
das Bild aus meinem Kopf zu streichen, dann hätte ich Dir eine Chance gegeben
Dich mir sehen zu lassen. Dann wären wir in der Lage gewesen das Du als Dich
meinend zu sprechen und die Begegnung als Erweiterung zu erleben, mit all dem
Unerwarteten und Überraschenden. Dann wäre Hinwendung möglich gewesen,
und
keine Illusion!
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