Die drei Verbrechen
an meinem Leben
Es gibt drei Verbrechen, derer ich mich gegen das Leben
schuldig machen kann, drei Verbrechen, derer ich mich gegen mein Leben schuldig
machen kann.
Das erste ist das Verharren in der Vergangenheit. War damals
nicht alles besser? Hätte nicht alles so bleiben können, wie es war, für immer
und ewig am besten? Was habe ich nicht alles versäumt, damals! Was ist mir
nicht alles entgangen! Egal ob ich meine, dass alles besser war oder ob ich
meine in jenem Damals um mein Leben betrogen worden zu sein, ich wende mich ab,
wende mich Zeiten zu, die ich weder zum Guten ändern kann, noch dorthin
zurückkehren kann, doch mit der Rückwendung nehme ich mich aus der
Verantwortung für den Moment, den ich ändern kann und in dem ich sein kann,
Jetzt. Das ist das erste Verbrechen an meinem Leben.
Das zweite ist das Entstürmen in die Zukunft. Was habe ich
nicht noch alles zu tun, morgen, übermorgen, nächste Woche, das ganze Jahr. Was
wollen wir im nächsten Urlaub unternehmen, und welches Auto schenke ich meinem
zukünftigen Kind zum achtzehnten Geburtstag. Unruhig wetze ich auf meinem Stuhl
umher, weil ich eigentlich schon nicht mehr da bin, sondern schon dort, wo ich
als nächstes hinmöchte. Ganz egal was ich auch immer in diesem Dann zu tun
habe, ich werde es niemals wirklich tun, weil ich bereits ins nächste Dann
entflohen bin. Das ist das zweite Verbrechen an meinem Leben.
Das dritte und fundamentalste ist Dich Du zu nennen, und
doch nicht bei Dir zu sein. Ich freue mich ja so, dass Du da bist! Ich will
Dich nicht missen und möchte, dass Du die ganze Zeit mit mir verbringst. Aber
ich bin gar nicht da, weil ich Dich daran erinnern muss, wieviel anders und
besser unsere Beziehung früher war, oder weil ich Dir ständig ausweiche, indem
ich Dir vorbete was wir nicht noch alles tun müssen. Wir sind zusammen, und
doch bin ich nicht bei Dir – und wundere mich über die Leere. Das ist das
dritte und größte Verbrechen an meinem Leben, denn es ist auch mein Verbrechen
an Deinem Leben.
Ich will mich nicht länger schuldig machen, will aufhören
krampfhaft festzuhalten und loslassen, und plötzlich findet sich alles ganz von
selbst. Ich arbeite, und bleibe darin, bis es fertig ist. Ich sehe hinauf zum
vollen, satten Mond und sehe ihn, weil ich da bin, im Sehen. Du setzt Dich zu
mir, hier an meinem Steg. Ich lasse das Getane als getan hinter mir. Ich lasse
das Geplante als geplant vor mir. Ich lasse das Sehen des vollen, satten Mondes
als gesehen. Ich nehme Deine Hand in die meine und spüre Deine Hand als
genommen in meine. Ich hebe meinen Blick in Deinen und bleibe im Dich-spüren,
Dich-sehen. „Ich sehe Dich!“, spreche ich mich Dir zu, und in meiner Hand, in
meinem Blick, in mir, bin ich Dir. Ich bleibe, als offen und Dir zugewandt,
hier in diesem Moment. Egal wie oft mir das nicht gelungen ist, hier bin ich um
ihn zu leben, den Moment im Jetzt, das Bleiben in der Zeit, in der Leben
lebendig heißt, und wo ich Dir bin, Dir Du bin, in Offenheit, Neugierde und
Hingabe. Es genügt der Moment, in den ich abtauche wie in das klare See des
Wassers, der Moment, der alles Glück, das möglich ist, in sich trägt, im
Augen-blick, im Herzschlag der Ewigkeit, im Je-Jetzt, im Du-Du.
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