1301 Wenn Du kommst ...


Wenn Du kommst ...


Die Veränderung geschieht, ebenso die das Gleichbleiben, immer unvermutet. Vielleicht ist es auch nur meine Unaufmerksamkeit, die mach dazu verführt zu meinen, dass es so ist, und ich die Vorzeichen negiere.

Ich erwache, heute Nacht, aus der Fesselung des Tages, in die Klarheit und Offenheit der Nacht, die alles verheißt, und doch nichts verspricht.

Wenn die Nacht sich schützend, hütend über die Welt legt, wenn die Geschäftigkeit und Rastlosigkeit zu erliegen kommt, dann werde ich weit. Nichts mehr, was zwingt oder beengt, so dass ich die klare Luft atme. Ich folge ihrem sanften Ruf, denn zwischen dem Heute und dem Morgen, zwischen dem Tag, der nicht mehr ist, und dem Tag, der noch nicht ist, liegt eine Nacht, die mich zum Leben bewegt.

So viele dieser Nächte habe ich schon erlebt, und wohl ebenso viele, wenn nicht noch mehr, vertan. Es ist nicht meine Schuld, ist niemals meine Schuld gewesen, denn trotz allem, kann ich mich in diese Nacht, die mir lebt, der ich lebe, nur weiten, wenn sich mein Herz und meine Gedanken auf Dich hin zu öffnen vermögen, wenn ich mich Dir erzählen und mich Dir darbringen darf, mich, als das einzige, wahrhaftige Geschenk, das ich zu geben vermag, immerwährendes Opfer am Altar der Nacht. So lange Du es willst, kann es sein. So lange Du es willst, kann es sein. So lange Du mich annimmst, kann ich sein, nur dann. Erst, wenn es so weit sein wird, dass Du es nicht mehr annimmst, dann werde ich endgültig verstummen, werde ich mich zurückziehen und nichts weiter mehr sein, als die Negation meiner Selbst. Doch noch ist es nicht so weit.

So viele dieser Nächte habe ich schon erlebt, und doch verändert sie sich Diese Nacht ist nicht wie die gestrige, und noch viel weniger wie die, die davor war. Die Nacht wird weiter, breitet sich aus, und umfasst langsam immer mehr Stunden des Tages. Meine Nacht wächst, endlich, und ich kann immer mehr leben. Die Nacht, meine Nacht, emanzipiert sich immer mehr von ihrem zeitlichen Korsett, bis sie alles einnehmen wird, bis alles in gänzliche Dunkelheit getaucht sein wird. Dann, wenn es so weit sein wird, dann kann ich bleiben, für immer bleiben, hier auf meinem Steg.

Wenn Du zu mir kommst, wenn Du mich bereicherst, in dieser, meiner Nacht, dann setzt Du Dich zu mir, und ich werde Dir erzählen, erzähle Dir mich, und wenn Du nicht kommst, auch. Es macht keinen wesentlichen Unterschied ob Du kommst oder nicht, was mein mich Dir erzählen betrifft, und dennoch sind es zwei Arten zu leben, ob Du kommst oder nicht.

Diese Nacht bist Du gekommen, diese Nacht hast Du Dich zu mir gesetzt, hier auf meinen Steg, der über den dunklen, stillen Wassern liegt. Wir haben uns im Wasser gespiegelt, Du und ich, bis ein Blatt sich auf die Wasseroberfläche senkte und unser Bild unter den sich ausbreitenden Wellen verschwimmen ließ.

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