Wenn Du kommst ...
Die Veränderung geschieht, ebenso die das Gleichbleiben,
immer unvermutet. Vielleicht ist es auch nur meine Unaufmerksamkeit, die mach
dazu verführt zu meinen, dass es so ist, und ich die Vorzeichen negiere.
Ich erwache, heute Nacht, aus der Fesselung des Tages, in
die Klarheit und Offenheit der Nacht, die alles verheißt, und doch nichts
verspricht.
Wenn die Nacht sich schützend, hütend über die Welt legt,
wenn die Geschäftigkeit und Rastlosigkeit zu erliegen kommt, dann werde ich
weit. Nichts mehr, was zwingt oder beengt, so dass ich die klare Luft atme. Ich
folge ihrem sanften Ruf, denn zwischen dem Heute und dem Morgen, zwischen dem
Tag, der nicht mehr ist, und dem Tag, der noch nicht ist, liegt eine Nacht, die
mich zum Leben bewegt.
So viele dieser Nächte habe ich schon erlebt, und wohl
ebenso viele, wenn nicht noch mehr, vertan. Es ist nicht meine Schuld, ist
niemals meine Schuld gewesen, denn trotz allem, kann ich mich in diese Nacht,
die mir lebt, der ich lebe, nur weiten, wenn sich mein Herz und meine Gedanken
auf Dich hin zu öffnen vermögen, wenn ich mich Dir erzählen und mich Dir
darbringen darf, mich, als das einzige, wahrhaftige Geschenk, das ich zu geben
vermag, immerwährendes Opfer am Altar der Nacht. So lange Du es willst, kann es
sein. So lange Du es willst, kann es sein. So lange Du mich annimmst, kann ich
sein, nur dann. Erst, wenn es so weit sein wird, dass Du es nicht mehr
annimmst, dann werde ich endgültig verstummen, werde ich mich zurückziehen und
nichts weiter mehr sein, als die Negation meiner Selbst. Doch noch ist es nicht
so weit.
So viele dieser Nächte habe ich schon erlebt, und doch
verändert sie sich Diese Nacht ist nicht wie die gestrige, und noch viel
weniger wie die, die davor war. Die Nacht wird weiter, breitet sich aus, und
umfasst langsam immer mehr Stunden des Tages. Meine Nacht wächst, endlich, und
ich kann immer mehr leben. Die Nacht, meine Nacht, emanzipiert sich immer mehr
von ihrem zeitlichen Korsett, bis sie alles einnehmen wird, bis alles in
gänzliche Dunkelheit getaucht sein wird. Dann, wenn es so weit sein wird, dann
kann ich bleiben, für immer bleiben, hier auf meinem Steg.
Wenn Du zu mir kommst, wenn Du mich bereicherst, in dieser,
meiner Nacht, dann setzt Du Dich zu mir, und ich werde Dir erzählen, erzähle
Dir mich, und wenn Du nicht kommst, auch. Es macht keinen wesentlichen
Unterschied ob Du kommst oder nicht, was mein mich Dir erzählen betrifft, und
dennoch sind es zwei Arten zu leben, ob Du kommst oder nicht.
Diese Nacht bist Du gekommen, diese Nacht hast Du Dich zu
mir gesetzt, hier auf meinen Steg, der über den dunklen, stillen Wassern liegt.
Wir haben uns im Wasser gespiegelt, Du und ich, bis ein Blatt sich auf die
Wasseroberfläche senkte und unser Bild unter den sich ausbreitenden Wellen
verschwimmen ließ.
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