Zwischen dem Gerade
eben und dem Jetzt
Nichts mehr wird je wieder so sein, wie es vorher war, wie
es Gerade eben noch war. Ich werde niemals mehr so sein, wie ich vorher war,
wie ich gerade eben noch war, denn dazwischen, zwischen dem Gerade eben und dem
Jetzt, da war eine Begegnung.
Was war geschehen? Was hätte ich zu berichten? Nichts,
nichts weiter, als dass die Dinge ihren Lauf nahmen, unberührt und
unbeeindruckt, störrisch und eigensinnig. Die Welt war die gleiche, Gerade eben
und Jetzt, nur meine Welt, war völlig durcheinander geraten. In aller Stille
und Ruhe, mit einer kleinen Bewegung, die meine Hand erfasste, wirbeltest Du
durch mich gleich einem Wirbelwind, kehrtest das Unterste zuoberst, bliest den
Staub aus verkrusteten Gedankengängen und legtest mir eine neue Sicht frei,
Schätze und Geheimnisse, Möglichkeiten und Ideen zu erwecken, von denen ich
noch nicht einmal selber wusste, dass es sie gab.
Du bist in der Begegnung eingetreten in mein Leben und in
mich, sacht und behutsam, und lehrtest mich mich neu zu sehen. Gerade eben war
das, und ich sitze hier, an meinem Steg, blicke mich um, auf die mir vertraute
Szenerie, und es ist mir, als würde ich sie zum ersten Mal sehen, und ich sah
sie auch zum ersten Mal, zum ersten Mal mit den Augen derer, der eine Begegnung
widerfahren war, der Du widerfahren warst. Kein Stein blieb auf dem anderen.
Keine, noch so gut bewachte Gewohnheit, hielt dem Ansturm der zärtlichen
Annahme stand.
Gerade eben war es noch so, heil und unversehrt. Jetzt sind
sie wieder aufgerissen, die alten, bloß notdürftigst verbundenen Wunden, waschen sich rein, und
Deine heilenden Hände legen sich darauf, greifen in sie hinein, sie vom letzten
Unrat zu befreien, ohne Scheu Dich mit meinem Damals zu beflecken, um mein
Heute annehmen zu können. Die Wunden zu heilen, mit Deinem Kuss, und die
Narben, die bleiben, gemahnen an das Gerade eben. Sie sollen bleiben – und wenn
Du mich annehmen kannst, in meiner Verwundetheit und Verwundbarkeit, dann
nimmst Du mich wie ich bin. Du hast mich angesehen, und ich wußte, Du machst
keine Abstriche, gehst keine faulen Kompromisse ein. Du nimmst mich an, in
meiner Abgelebtheit ebenso, wie in meiner Lebendigkeit.
Gerade eben war noch alles so normal, und Jetzt, nach der
Berührung im Wir, Jetzt habe ich den Weg aus den Augen verloren. Oder hat er
sich einfach nur verschlossen, weil er der von der von dem Gerade eben noch
war, der für die, die ich im Jetzt bin, nicht mehr stimmig ist? Fand den einen
Weg verschlossen, und konnte noch keinen neuen ausnehmen. Und die Sicherheit
verblasste. War es denn wirklich geschehen, dieses zwischen dem Gerade eben und
dem Jetzt? War es vielleicht doch nur ein wunderbarer, ernster Traum gewesen?
Unwillkürlich zog ich mich mehr in mich zusammen, und als ich meine rechte Hand
auf meine linke Schulter legte, durchzuckte mich ein kurzer, stechender Schmerz.
Hier hatte sich Deine Berührung eingebrannt, tief in mein Fleisch gebrannt, und
ich wußte, dass es wahr war, das zwischen dem Gerade eben und dem Jetzt.
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