Die Blumen verblühten, wie immer, wie immer und immer wieder. Ich hatte
meinen Gedanken fertig gefügt und ihn unter Schmerzen geboren, hier auf meinem
schwarzen Stuhl. Die Zeit hatte an ihm gezehrt, wie an mir, doch er stand. Ich
hatte Dir zugesehen, Dich unablässig tätig gesehen, während die Blumen blühten
und verblühten, während der Sommer kam und ging. Alles war wie immer, ruhig und
belanglos, eigentlich belanglos, so wie das einzelne Leben, das weder im Schnee
noch im Sand Spuren hinterläßt, denn frischer Schnee fällt darauf und der Wind
verweht die Spuren. Vielleicht bleiben sie noch ein wenig in Dir, meine Spuren,
ein wenig, bis auch hier die Zeit sie verweht, bis nichts mehr bleibt von
diesem einen, kleinen, belanglosen Leben. Und es kam der Moment, da ich
aufblickte und Dich nicht mehr sah.
Dort, am Ende der Wiese, dort, wo Du immer Deinem Beschäftigt-sein
nachgegangen bist, dort stand noch ein halb voller Wäschekorb, während die
andere Teil der Wäsche auf der Leine hing. Mitten drinnen, mitten in diesem,
Deinem Beschäftigt-sein, musstest Du abgebrochen haben. Was war der Grund? Was
war der Auslöser für diesen Abschluss an einem Punkt, an dem es noch nichts
Abschließbares gab?
Während dieses einen, kleinen, belanglosen Lebens können wir uns entscheiden, immer wieder und wieder
entscheiden ob wir etwas abschließen wollen und wohl auch wann, doch dann kommt
der Moment, da wird für uns entschieden, ganz gleich ob wir bereit sind
abzuschließen oder nicht, es wird für uns abgeschlossen. Wir haben keinen
Einfluss auf das, wo keine Rechtfertigung benötigt wird. Es geschieht vielmehr
mit uns durch uns hindurch.
Und ich wußte, mit einem Mal wußte ich, dass nicht Du beschlossen
hattest abzuschließen, sondern dass Dein Abschluss für Dich beschlossen wurde,
dass es nicht mehr an Dir lag.
Und die frisch gewaschene, saubere Wäsche flatterte im Wind. Sollte es
tatsächlich das letzte Bild sein, das ich von Dir in mir tragen würde? Ich
konnte es nicht verstehen. Ich hatte wohl viel darüber nachgedacht und doch
keine Ahnung gehabt von diesem Abschluss. Jetzt, da ich mich unmittelbar
betroffen fand, jetzt merkte ich, dass es keine Möglichkeit gab sich
vorzubereiten auf die Endgültigkeit und die Unwiderruflichkeit.
Tief, viel zu tief, hattest Du Dich in mich eingebrannt, und ich
spürte, wie ich zerfiel, langsam und unaufhaltsam. So sehr hatte ich mich in
Dir behütet und behaust gewußt, dass ich nun heimatlos geworden war, jetzt, da
Du abgeschlossen wurdest. Dir war ich Du gewesen, um jetzt gänzlich
zurückgeworfen zu sein auf ein Ich, das ich nicht mehr zu benennen wußte, auf
etwas, das ins Du erhöht war, und jetzt in die Untiefen des auf mich selbst
zurückgeworfen-seins abzustürzen – und ich wünschte mir nichts als auch
abgeschlossen zu werden. Doch diese Gnade blieb aus.
Ich nahm meinen schwarzen Stuhl und ging, wieder einmal ging ich, doch
diesmal gab es nichts mehr, was mich zurückführte, denn selbst die
Zurückführung wäre eine Fortführung gewesen, angesichts dessen, dass Du
abgeschlossen wurdest.
2 Kommentare:
sehr schön poetisch und melancholisch
Hallo Stefanie!
Danke. Es freut mich, dass es Dir gefällt, und hoffe, dass es mir noch oft gelingt ...
Liebe Grüße, Nyx
Kommentar veröffentlichen