0902 Zwischen den Welten


Zwischen den Welten


Im Fließen des Chaos, im Zentrum des Ungeformten, wollen wir einen neuen Anfgang als unseren setzen. Doch wo beginnen? Wo wollen wir unseren ersten Fixpunkt setzen?

„Sprich, und es wird!“, sprachst Du Dich mir zu.
„Zu erst will ich den Steg, als Ort der Begegnung, als Ort, an dem wir uns finden können, Nacht für Nacht, an dem wir uns wiederfinden, wenn wir uns einmal verlieren sollten.“, sprach ich mich Dir zu.
„Als Ort, an dem wir anderen begegnen können, andere willkommen heißen können, Nacht für Nacht.“, sprachst Du Dich mir zu.
„Als Ort, an dem wir zur Ruhe kommen können, als Du und ich, in verbleibender Eigenständigkeit.“, sprach ich mich Dir zu, „aber auch als den Anfang der Überbrückung zwischen Deiner und meiner Welt.“
„Warum lassen wir dann nicht anstelle des Steges eine Brücke werden, die eine wirkliche Verbindung zwischen Deiner und meiner Welt bilden könnte, einen Übergang und ein Ineinander?“, schlugst Du vor, und es wirkte wohl wirklich wie ein kleiner Schlag.
„Du weißt, es kann und darf kein Ineinander geben. Meine Welt muss geschützt sein, wie ein zeitloses Reservoir inmitten des Unübersichtlichen und Unüberwindlichen. Wie viel kann meine Welt von außen verkraften? Nicht mehr als die Besucher mit sich und ihren Geschichten herantragen, und da habe ich jedes Mal einen Tag Zeit mich zu erholen. Es wirkt wie kleine Tropfen Gift, die hereinsprühen, die Unruhe und Unausgeglichenheit, die Hektik und Unzufriedenheit.  Ich nehme an und muss verarbeiten, neutralisieren, um für Dich da sein zu können.“, gab ich zu bedenken.

Du hattest um die Unmöglichkeit des Ineinander gewußt, und doch traf  Dich das Gewortete, das Ausgesprochene.
„Wir sollten keine Brücke werden lassen, nichts Festes, Unverrückbares zwischen dem einen und dem anderen Ufer, als Symbol für Deine und meine Welt, aber wir wollen einen Fährmann werden lassen, der die Möglichkeit der Verbindung aufrecht erhält, zwischen dem Steg und dem anderen Ufer des Sees, der ein Hin und Zurück ermöglicht, aber auch eine Barriere bildet, der noch einmal hinterfragt, ob der, der die eine Welt verläßt und die andere erreichen will, auch wirklich sicher ist ob er das will, denn eine einmal gemachte Erfahrung ist unhintergehbar, ist nicht mehr rückgängig zu machen. Manchmal muss man den Menschen vor seinem eigenen Wollen schützen.“, bot ich an, nicht nur als Kompromiss, sondern als sichtbares, greifbares Zeichen der Öffnung.
„Ein Fährmann mit Floss und Stab? Ja, wir lassen einen Fährmann werden, der die Menschen durchschaut, und nur die übersetzt, die es auch wirklich wollen.“, sprachst Du Dich mir zu, versöhnt und im Einklang, nun wieder.
„Und ich möchte ein Fenster, das zwar keinen Einlass, aber einen ersten Einblick gewährt, von Deiner in meine Welt.“, sprach ich mich Dir zu.
„Ja, so soll es werden.“, sprachst Du Dich mir zu.

In dem Moment wurde es, und wir fanden uns wieder, auf unserem Steg am See, und am gegenüberliegenden Ufer nahmen wir den Fährmann aus, in seinem langen Umhang, stehend, neben dem Floss, bereit den Ankommenden überzusetzen, den langen Stab in der Hand. Auch das Fenster fand sich, dessen Flügel nicht geschlossen, sondern nur leicht aneinandergelehnt waren, einluden aufgestoßen zu werden, für diejenigen, die die unbenennbare Sehnsucht treibt, wie Dich.

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