1503 Am Ende der Worte


Am Ende der Worte


Wir, Du und ich, wir reden miteinander. Natürlich reden wir miteinander, weil es uns näher bringt, oder auch voneinander entfernt. Wir reden trotzdem miteinander.

Wir erzählen uns, je nach Situation, von unserem Erleben, erzählen von dem Gestern, aus dem wir kommen, erzählen uns von dem Jetzt, in dem wir uns leben, und wenn wir ganz besonders unvorsichtig sind, erzählen wir uns auch von unseren Plänen für ein Morgen, von dem wir hoffen, dass wir uns immer noch sein werden.

Wir erzählen uns von unserem Erleben und Ausleben, von unseren Eindrücken und Ausdrücken, von unseren Begegnungen und unseren Verfehlungen, von unseren Ankünften und Abschieden, und im Grunde erzählen wir uns immer uns, denn egal was wir miteinander reden, immer dient es dazu uns näher aneinander heranzutasten, und zu einem immer tieferem Verstehen zu führen, zueinander verführen.

Wir reden miteinander, und zumeist, da führen uns unsere Worte zusammen, doch manchmal, da ist es, als wäre jedes Wort verfehlt, jedes Wort dem Verstehen entgegengesetzt, wird ausgesprochen, und noch bevor es Dich wirklich erreichen kann, fällt es herunter, und bleibt liegen, und jedes weitere Wort, das dann noch getan wird, erhöht den Berg bloß, bis er wie eine Mauer zwischen uns steht, Steine, auf unserem Weg, über die wir stolpern. Und ich wünschte, sie würden sich verwandeln, in kleine, bunte Schmetterlinge, die davonfliegen und mir die Sicht wieder freigibt auf Dich.

Wir reden miteinander, obwohl wir wissen, dass unsere Worte doch nur eine Krücke sein können auf dem Weg zueinander, die uns stützt, aber auch nur allzu leicht brechen kann, so dass wir die Worte verlassen, und miteinander reden, erzählen uns uns in unserer Hinwendung, in unserem Blick, in unserer Berührung. In allem was wir sind, sprechen wir uns uns und darin uns uns zu, erzählen wir uns uns, jenseits des Wortbaren, dort, wo es schon lange keine Worte mehr gibt.

Wir reden miteinander – jenseits der Worte, jenseits des Wortbaren, wo das Eigentliche des Sagens, des Mich-auf-Dich-Zusagens beginnt, wo sich das findet, was Uns ausmacht, das Dich und mich im Wir.

Und ich bin nicht bereit diese Grenze anzuerkennen. Wie oft schon bin ich dagegen angerannt, habe ich mir Kopf und Nase blutig geschlagen? Wie oft habe ich mit geballten Fäusten auf sie eingeschlagen, und habe doch nichts erreicht als mir die Haut aufzureißen? Doch es gibt kein Wort, für das, was ich Dir sagen will, gibt keine Worte für das Wunder und für das Du, keine Worte für die Einzigartigkeit und das Leben.

Und ich bin nicht bereit es zu akzeptieren, das große Tal des Schweigens, jenseits der Worte, in das ich mich verliere, außer, wenn Du es mit mir durchschreitest, mich an der Hand nimmst und das Schweigen jenseits der Worte zu einem gefüllten werden läßt, das uns das Unsprechbare lautlos zuspricht, das uns uns zuspricht.

Jenseits der Worte, jenseits der Grenze des Sprechbaren, dort sprechen wir uns uns zu, dort werden wir im Uns-Überlassen Ruhe finden.   

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