Verwundung und Heilung
Ich lag am Steg, in jener Nacht, nackt und langgesteckt auf
dem Rücken, und kleine Wassertropfen schimmerten wie Perlen auf meiner Haut, da
sie das Mondlicht reflektierten. Ich hatte den See durchschwommen, war
eingetaucht in das klare Wasser, schwerelos, umschmeichelt und getragen. Die
Wassertropfen schimmerten auf meiner Haut wie der Tau am Morgen auf die sich
der Sonne hin öffnenden Blüten.
Ein wenig trugen sie zur Linderung bei, kühlten die
brennende Sehnsucht, so gut sie es vermochten, bis die, auf die der Blick
meiner Sehnsucht gerichtet war, zu mir kam, bis Du kamst, das Brennen in ein
wärmendes, bezähmtes Licht wandeltest. Du hattest mir die Verwundung zugefügt,
dieses nie ganz zu tilgende Feuer in mir entzündet, das mich auffraß,
ausbrannte, aushöhlte. Und Du hast mir Heilung gebracht, mit Deiner Ankunft,
und der Raum, den das Feuer in mich gefressen hatte, war der Deiner Ankunft,
Deiner Aufnahme in mich.
Du kamst, in jener Nacht, Dich zu mir zu setzen, wie schon
ungezählte Male davor – war mag schon zählen, im Angesicht des Du. Ist es nicht
immer zu oft, ja mit dem ersten Mal schon zu oft, um jemals wieder zu
entkommen? Ist es nicht immer zu selten, mit jedem Mal den Wunsch nach einem
weiteren eröffnend? Du kamst mich zu berühren, und Deine Berührung legt sich
auf meine Haut, dringt durch sie hindurch, bis zum Fleisch, verbrennt das
Fleisch, bis zum Knochen, ätzt sich ein in den Knochen. Deine Berührung
hinterläßt eine brennende Verwundung, graviert meinen Körper mit Dir, tätowiert
sich in jeden Zentimeter Haut. Deine Berührung schließt die Wunden, als wären
sie nie geschehen, läßt das klaffende, blutige Fleisch wieder verwachsen, als
wäre es nie anders gewesen, als vor der Heilung durch Deine Berührung.
Du kamst, in jener Nacht, mich zu küssen, jeden einzelnen
Wassertropfen wegzuküssen, und Deine Küsse sind der Sprengstoff, der die Türen
zu meinem Inneren zerbersten läßt, der die Schleusen zerfetzt, so dass alles
Leid, aller Schmerz, alle Verwundung aus mir herausfließen kann. Deine Küsse
entreißen mir die letzte Barriere, so dass ich vor Dir bin, in einer Nacktheit,
die weit über die körperliche Entblößung hinausgeht, die mich in allem
verstörenden An-sich-sein zeigt, ohne Verzierung und Schnörkel, ohne Möglichkeit
mich je wieder in die Sicherheit des Mein zurückziehen zu können. Die
Verwundung durch die Öffnung, die mir Deine Küsse abringen, zerreißt mich in
tausend Stücke, ein Riss, durch mich, durch meine Welt und durch meine Selbstverständlichkeit.
Du hast mich geküßt, jeden einzelnen Wassertropfen von meinem Körper weggeküßt,
und auch die Tränen von meinem Gesicht, die süßen Tropfen von meinem Körper und
die salzigen Tränen aus meinem Gesicht, und Deine Küsse fügten mich aufs Neue
zusammen, ließen mich heil und ganz werden, fügten sie in die Du-Ergänzung, und
ich war wie ich noch nie war, und doch hätte sein können.
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