Lebenswende - Maria von Magdala (Teil 3)
Du gingst aufrecht, den Blick erhoben und offen, und nicht
demütig gesenkt, wie es wahrscheinlich von Dir erwartet wurde, aufrecht, als Du
den Platz überquertest, hin zu dem Haus, in dem Er mit Seinen Jüngern weilte.
An der offenen Türe bliebst Du stehen, denn wo Er war, da
gab es nichts Verschlossenes mehr, nichts mehr, das Seinem Blick entzogen
werden konnte. Er saß mitten unter Seinen Jüngern, mitten unter den Menschen,
nicht über ihnen, sondern mit jedem auf Augenhöhe, und Sein Wort erging an sie,
gemessen und bedacht. Er sprach sie an, direkt und unmissverständlich, noch dem
je eigenen Entwicklungsstand, ließ sie werden und wachsen, hinein in die
Grenzenlosigkeit Seiner Liebe.
Ein leises Lächeln umspielte Deine Lippen, als Du sahst mit
welchem Eifer, ja mit welcher Hingabe Marta um Sein leibliches Wohl bemüht war,
ihn umsorgte und verwöhnte. Ob sie ein Wort von dem was Er sagte mitnahm und
behielt? Marta war der Ansicht, dass sie das gar nicht verstand. Wovon sie was
verstand und zu verstehen hatte, war das leibliche Wohl, sonst nichts. Nein, Du
und Marta, ihr konntet euch nicht verstehen, zu weit war ihre von Deiner
Lebenswirklichkeit entfernt, aber Du warst bereit sie in ihrer Entscheidung zu
respektieren, auch wenn es wahrscheinlich noch nicht einmal die ihre war.
Konnte sie das auch? Konnte sie Dich in Deinem Eigen-Sein, in Deiner
Entscheidung Dich nicht um die Angelegenheiten der Küche zu bekümmern, weil es
auch andere Aufgaben geben konnte, auch für eine Frau, respektieren? Wagte sie
es denn überhaupt über den Rand ihres kleinen, bescheidenen Wirkungsbereiches
hinwegzudenken? Konnte sie es sich denn zugestehen, wagen auch nur zu denken,
dass es denkbar wäre? Aber Du, Du nahmst sie an, auch wenn sie Dich nicht
annahm, auch wenn ihre Umarmung kalt und gezwungen war, so war Deine warm und
gewollt.
Du sahst die Jünger, die sich so furchtsam an Ihn hielten,
und es doch kaum vermochten aus ihren bisherigen Denkgewohnheiten auszubrechen.
Dabei hätten sie doch nichts weiter tun müssen als Seinen Worten zu folgen, so
wie sie Ihm folgten, indem sie ihr bisheriges Leben hinter sich ließen,
sprichwörtlich und tatkräftig alles hinter sich ließen, alles und jeden. Das
war für sie ein gewaltiger Schritt gewesen, ein radikaler Schnitt, und doch
offenbar nicht radikal genug, denn immer wieder fielen sie zurück, redeten, wie
sie in diesem früheren Leben zu reden gewohnt waren und handelten, wie sie in
diesem früheren Leben zu handeln gewohnt waren. Doch Er, er nahm sie mit,
unverdrossen um nochmals von vorne zu beginnen, wenn es sein musste, jeden Tag.
Er müsse mit ihnen Geduld haben, hatte er Dir erklärt, und Du hattest es
verstanden.
Vorsichtig tratst Du ein, das alabasterne Gefäß immer noch
fest umschlossen, tratst ein und gingst geradewegs auf Ihn zu. Er wandte sich
Dir zu, und Du wusstest, Er freute sich, dass Du da warst.
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