0304 Maria von Nazareth (Teil 4)
Ankunft - Maria von Nazareth (Teil 4)
Es war ein langer, beschwerlicher Weg hinauf nach Betlehem. Joseph, mein Kind, das ich unter meinem Herzen trug und ich, wir hatten ihn auf uns zu nehmen. Ich spürte, mir blieb nicht mehr viel Zeit bis zu dem Moment, in dem ich meinen Sohn endlich in meinen Armen halten durfte, nicht mehr viel Zeit bis zu jener Begegnung, die wohl das Leben einer jeden Frau völlig verwandelt.
Es war ein langer, beschwerlicher Weg hinau nach Betlehem, doch wir mussten ihn gehen und gingen ihn. Gegen Abend kamen wir an. Wir brauchten ein Nachtlager. So gingen wir von Tür zu Tür, doch keine Tat sich uns auf. Niemand wollte uns einlassen, niemand uns Herberge geben. Da war kein Platz mehr, hieß es. Alles belegt, wegen der Volkszählung, sagten sie. Sollte ich mein Kind auf der Straße gebären? Sollte der Sohn dessen, der sich "Ich bin da" nennt, niemanden finden, der für Ihn da wäre? Nein, das konnte nicht sein. Davon war ich überzeugt. Längst war die Nacht hereingebrochen, als wir das letzte Haus erreichten.
Es war ein langer, beschwerlicher Weg hinauf nach Betlehem. Noch ein kleines Stück, nur noch ein kleines Stück, dann würden wir den Stall erreichen, den uns der letzte Herbergsvater als Schlafplatz empfahl. Kein Haus, keine festen, gemauerten Wände, aber immerhin, ein Dach über dem Kopf. Mitten in den Feldern lag der Stall, gehütet von Ochs und Esel. So schroff wir von den Menschen abgewiesen wurden, so freudig wurden wir von den Tieren begrüßt.
Es war ein langer, beschwerlicher Weg hinauf nach Betlehem, um mein Kind in einem Stall zur Welt zu bringen. Ich durfte ihn im Arm halten, meinen Sohn, zum ersten Mal, und es war eine Begegnung, die mich völlig verwandelte. Nichts konnte je wieder so sein, wie es gerade eben noch war. "Du, du hast mein Leben so unendlich, unfassbar reich gemacht.", flüsterte ich ihm zu, und er sah mich an, mit seinen strahlenden blauen Augen. Ich wusste, er hatte mich verstanden.
Es war ein langer, beschwerlicher Weg hinauf nach Betlehem, bis zu diesem Platz, mitten unter den Ausgestoßenen und Tagedieben. Sollte es ein Zeichen sein, dass der Sohn, den ich geboren hatte, sich auf die Seite derer stellte, an deren Seite niemand stehen wollte? Ein Hinweis darauf, dass er denen die Hand reichen würde, denen niemand sonst mehr die Hand reichen wollte? Wollte er uns damit sagen, dass er die annehmen würde, die niemand sonst mehr annimmt?ich Las es in den Augen derer, die kamen, die Bettler und die Hirten, kamen, ihr Knie vor ihm zu beugen, las es in ihren Augen, dass sie verstanden und sahen.
Es war ein länger, beschwerlicher Weg hinauf nach Betlehem, doch ich sah meinen Sohn, gehalten und geborgen in meinem Arm, und alle Strapazen, aller Kummer und alle Sorge war wie weggeblasen. "Du bist es, der sich in mein Herz gebrannt hatte, vom Anbeginn der Zeiten. Ich gehe mit Dir bis zur Unausweichlichkeit, und weit darüber hinaus.", sagte ich Dir zu, in meinen Worten, in meinem Leben und in meinem Tun.
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