0504 Maria von Nazareth (Teil 6)

Abschied und Neubeginn - Maria von Nazareth (Teil 6) "Bis zur Unausweichlichkeit, und weit darüber hinaus.", habe ich Dir zugesagt, und habe mich darin Dir zugesagt, in Dir der Welt, all jenen, die Mütter, Schwestern, Töchter sind. So bin ich mit Dir gegangen, hinauf nach Betlehem, und wieder zurück nach Nazareth. Zeit der Ruhe, des Atemholens und des Bleibens. Zwischenzeit. Danach ging es von Galiläa nach Jerusalem. Ich bin mit Dur gegangen, zu Deinen Triumphen, zu Deiner Niederlage, zu Deinem Untergang. Jetzt ist mein Platz hier unter dem Kreuz. Ich, die Deinen Schmerz fühlt, als wäre es mein eigener, die die Peinigungen und den Spott mit Dir durchlitt, durchtrug bis zu diesem Moment. Nägel durch lebendiges, atmendes Fleisch. Demütigung wie Essig in der offenen Wunde. Ich habe keine Worte mehr angesichts Deines Verstummens. Ich habe die Sprache verloren vor der Unaussprechlichkeit des Leides. "Bis zur Unausweichlichkeit, und weit darüber hinaus.", habe ich Dir zugesagt, und mich darin Dir zugesagt. "Siehe, Dein Sohn.", antwortetest Du, noch vom Kreuz herab, dass ich diesen, der mit all jenen ausharrte, die Mütter, Schwestern, Töchter sind, annähme und für ihn Sorge trüge, wie ich es für Dich tat. Sollte ich annehmen, an Deiner Statt? Es kann kein An-Deiner-Statt geben, da Du die Stellvertretung selbst bist, da Du das Leid, die Finsternis und die Verlassenheit auf Dich nahmst. Immer wieder passiert es mir, dass ich Dich mit menschlichen Augen sehe. Doch wie könnte ich auch anders? Du bist jedoch gerade nicht gekommen dem Menschen seine Kleinheit vor Augen zu führen, sondern um ihn zu verstehen, und ihn durch dieses Verstehen, durch die Anrede in einer Sprache, die er versteht, mit Dir zu nehmen. "Bis zur Unausweichlichkeit, und weit darüber hinaus.", habe ich Dir zugesagt, und Dir darin mich zugesagt. Ich harre aus, hier unter dem Kreuz und leide den Verlust jeder Frau, die Mutter, die Schwester, die Tochter ist, leide den Schmerz der Vereinsamung und des An-den-Rand gedrängt Seins. Ich versuche nicht Dich zu halten, denn Du gehst uns voran. Bis hierhin konnte ich Dir folgen, doch nun läßt Du uns zurück, mit unserem Schmerz und unserer Trauer, mit unserer Verwirrung und unserem Unverständnis, denn das menschliche Verstehen ist nur allzu begrenzt. Weit hast Du unsere Augen und unsere Herzen geöffnet, so weit wie es die Begrenztheit im Körperlich zuläßt, die noch nicht vollständige Marginalisierung im Ich. "Bis zur Unausweichlichkeit, und weit darüber hinaus.", habe ich Dir zugesagt, und darin mich Dir zugesagt, und aus dem Unvorstellbarem, Unverstehbarem, läßt Du mir etwas erwachsen, das angesichts Deiner nägeldurchbohrten Hände und Füße völlig ungeheuerlich scheint, etwas, das mich stärkt und kräftigt, eine Ungeheuerlichkeit angesichts des umfassenden Leids, eine Hoffnung und eine Zuversicht, die durch nichts gerechtfertigt ist, als durch Deine Hingabe. "Nimm ihn an, wie Deinen eigenen Sohn.", hast Du mir aufgetragen, was nur Sinn macht im Hinblick auf einen neuen Morgen, in dem Annahme nach Überwindung der Verlassenheit des Todes, möglich ist. "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.", hast Du uns Gewißheit geschenkt. "Ich gehe diesen Weg, und nehme sie an der Hand, alle, die Mütter, die Schwestern, die Töchter sind.", sage ich Dir zu.

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