Die Bewährung
Der Mond stand schon in seinem Zenit, und ich hatte Deine
volle Aufmerksamkeit. Das gefiel mir und ich wollte sie auskosten, aber nicht
übertreiben, bloß nicht zu weit treiben. „Noch einmal zurück zu der
Vorstellung, dass wir jetzt gestorben sind, in den Himmelkommen, eingewiesen
wurden in die Gegebenheiten und nun schon diese Einigkeit, Harmonie und
Vertrautheit genossen haben, wobei ich nicht von lange oder kurz sprechen kann,
denn in der Ewigkeit gebt es solche Begriffe nicht mehr. Jedenfalls denkst Du Dir,
Dir ist langweilig. Dann gehst Du zu Gott und sagst Ihm, dass Du eine
Herausforderung brauchst, ein wenig Leid und Schmerz und Trauer,
Missverständnis und Gegeneinander, also mit einem Wort, all die Dinge, die ein
Leben auf der Erde in seiner Unvollkommenheit mit sich bringt. Dann wird Er
Dich fragen wie groß diese Herausforderung sein soll. Du wirst kurz in Dich
hineinhorchen, überlegen wie stark Du bist, aber auch wie beherrschend und
bedrückend die Langeweile. Ja nachdem wird Dir ein neues Leben zugeteilt, ein
neues Leben auf der Erde. „D.h., ich werde wiedergeboren? Einfach so, nach
meinen Vorgaben und nicht nach meinem Betragen in meinem jetzigen Leben?“,
fragtest Du irritiert. „Natürlich, denn Gott besieht Sein Geschöpf in Seine
Entscheidung nicht nur mit ein, mehr, Er traut es Seiner Schöpfung zu sich
selbst zu entscheiden.“, antwortete ich überzeugt. „D.h. wenn ich in meinem
nächsten Leben ein Straßenkind in Rumänien bin oder ein unterernährtes in
Äthiopien, dann deshalb, weil ich eine große Herausforderung suchte. Und all
die anderen Kinder sind auch blß Menschen, die diese Entscheidung getroffen
haben?“, fragtest Du weiter. „Nein, das natürlich nicht. Ich stelle mir vor, da
gibt es einen Topf mit kleinen, einen mit mittleren und einen großen Herausforderungen.
Du wählst einen, springst hinein, und der Zufall befördert Dich an einen Platz.
Kann auch sein, dass Du noch eine Aufgabe zu erfüllen hast. Auch dazu kannst Du
Gelegenheit bekommen.“, versuchte ich zu erklären. „Oder eine offene Rechnung, die
ich zu begleichen habe.“, ergänztest Du. „Das nicht, denn Gott hält nichts von
Rache und wird so etwas nicht unterstützen. Wiedergutmachung, das ja, aber
keine Vergeltung.“, unterstrich ich nachdrücklich. „Da habe ich im Alten
Testament aber was ganz anderes gelesen.“, warfst Du ein. „Zunächst, hat Gott
die Bibel geschrieben oder buchstäblich diktiert? Nein, das hat er nicht, und
der Mensch kann nur das schreiben was er versteht. War es doch schon ein großer
Fortschritt, dass der Mensch sich nicht selbst als denjenigen sah, der die
Rache übte, sondern es Gott überließ.“, antwortete ich. „Der Mensch hat es also
einfach Gott in die Schuhe geschoben, wenn er Vergeltung übte? Also alles wie
gehabt, nur mit einer angemaßten Autorität.“, entgegnetest Du. „Genau. Aber
wenn wir jetzt sterben würden, dann könntest Du alles Gott selbst fragen.“,
schlug ich vor. „Das kann ich später auch noch machen, viel später. Jetzt,
jetzt möchte ich das Leben mit Dir genießen, diesen lebendigen Moment im
Miteinander.“, sagtest Du, und nahmst mich in den Arm, „Aber grundsätzlich eine
schöne Vorstellung vom Himmel.“
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