2205 Eos & Io (Teil 3)


Mit dem Mond


„Warum sollte es kein Für Immer geben? Du schaffst es immer wieder solch beglückende Szenen zu malen, um sie auch sofort wieder kaputt zu machen.“, bemängeltest Du.
„Vielleicht gibt es ein Für Immer, aber es spielt keine Rolle, wenn Du lebst, denn Leben geschieht im Augenblick.“, entgegnete ich, mit aller Selbstverständlichkeit.
„Vielleicht hast Du recht, vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall kannst Du es nicht wissen, und deshalb ist es absolut nicht notwendig solch einen Einwand zu machen. Aufbauen und sofort wieder umschmeißen, wie die kleinen Kinder mit ihren Türmen.“, ereifertest Du Dich.
„Absolut ... Nichts ist absolut, und zu Deinem Turmvergleich – wie sollte ich einen neuen Turm bauen, wenn ich nicht ab und an einen alten einreißen würde?“, fragte ich, viel zu sachlich wohl.
„Wie auch immer! Wie ging es nun weiter mit den beiden?“, fragtest Du.
„Nicht anders als sonst auch immer. Der Tag verging und die Nacht brach herein. Eos und Io saßen auf der Wiese, hatten den Sonnenuntergang gesehen, verfolgt wie der Mond aufging und die Nacht hereinbrach. Eos und Io saßen auf der Wiese, hatten den Sonnenuntergang gesehen und verfolgt wie der Mond aufging, die Nacht hereinbrach. ‚Bring mich nach Hause! Es ist unheimlich hier’, bat Eos, sichtlich verängstigt. ‚Warum ist es unheimlich?’, fragte Io sanft. ‚Es ist so dunkel und so kalt. Ich fühl mich so schrecklich verloren, hier in der Nacht, ohne die Sonne, ohne ihr Licht und ihre Wärme, ohne klar und deutlich zu sehen’, klagte Eos zitternd. ‚Du hast mich zur Sonne geführt, und jetzt, jetzt möchte ich Dir die Nacht eröffnen. Lass Dich ein, und Du wirst erkennen, dass sie alles andere als erschreckend ist, vielmehr warm und einladend, beschützend und behütend’, bat Io nachhaltig, und dann nahm sie Eos an der Hand und zeigte ihr die Nacht, und wahrhaft, Eos ließ sich ein und fallen, in die Wärme und die Geborgenheit, lernte die Unbestimmtheit schätzen und die Magie des Verborgenen. Bis zum Morgengrauen waren sie unterwegs. Doch jetzt verstanden sie einander, in aller Tiefe. Nein, so etwas würden sie nie wieder erleben. Ganz egal wohin sie kamen oder was das Leben noch für sie bereit hielt, es hatte sie verändert, unauslöschlich.“
„Warum hörst Du auf zu erzählen? Was ist weiter geschehen?“, fragtest Du mich.
„Das, was unausweichlich geschieht. Sie teilten noch einige Zeit ihr Leben miteinander, und dann verloren sie sich. Unmerklich löste sich die Vertäuung zwischen ihren Booten und dort, wo der Fluss ihres Lebens sich teilte, dort trieben sie auseinander, ganz einfach. Viele, viele Jahre sind seither vergangen und noch heute blicken sie gerne auf diese Zeit zurück, ohne sie zurückholen zu wollen.
‚Wie viel habe ich profitiert von Deiner Spontanität und Lebendigkeit!’, denkt Io.
‚Wie viel habe ich profitzier von Deiner Ruhe und Beständigkeit!’, denkt Eos.
So haben sie beide in einer Art abgeschlossen, die sie profitieren läßt. Wenn es so sein soll, werden sie sich wieder finden oder auch jemand anderen, der sie bereichert. Wer weiß.“, schloss ich meine Erzählung.

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