Mit dem Mond
„Warum sollte es kein Für Immer geben? Du schaffst es immer
wieder solch beglückende Szenen zu malen, um sie auch sofort wieder kaputt zu
machen.“, bemängeltest Du.
„Vielleicht gibt es ein Für Immer, aber es spielt keine
Rolle, wenn Du lebst, denn Leben geschieht im Augenblick.“, entgegnete ich, mit
aller Selbstverständlichkeit.
„Vielleicht hast Du recht, vielleicht aber auch nicht. Auf
jeden Fall kannst Du es nicht wissen, und deshalb ist es absolut nicht
notwendig solch einen Einwand zu machen. Aufbauen und sofort wieder
umschmeißen, wie die kleinen Kinder mit ihren Türmen.“, ereifertest Du Dich.
„Absolut ... Nichts ist absolut, und zu Deinem Turmvergleich
– wie sollte ich einen neuen Turm bauen, wenn ich nicht ab und an einen alten
einreißen würde?“, fragte ich, viel zu sachlich wohl.
„Wie auch immer! Wie ging es nun weiter mit den beiden?“,
fragtest Du.
„Nicht anders als sonst auch immer. Der Tag verging und die
Nacht brach herein. Eos und Io saßen auf der Wiese, hatten den Sonnenuntergang
gesehen, verfolgt wie der Mond aufging und die Nacht hereinbrach. Eos und Io
saßen auf der Wiese, hatten den Sonnenuntergang gesehen und verfolgt wie der
Mond aufging, die Nacht hereinbrach. ‚Bring mich nach Hause! Es ist unheimlich
hier’, bat Eos, sichtlich verängstigt. ‚Warum ist es unheimlich?’, fragte Io
sanft. ‚Es ist so dunkel und so kalt. Ich fühl mich so schrecklich verloren,
hier in der Nacht, ohne die Sonne, ohne ihr Licht und ihre Wärme, ohne klar und
deutlich zu sehen’, klagte Eos zitternd. ‚Du hast mich zur Sonne geführt, und
jetzt, jetzt möchte ich Dir die Nacht eröffnen. Lass Dich ein, und Du wirst
erkennen, dass sie alles andere als erschreckend ist, vielmehr warm und
einladend, beschützend und behütend’, bat Io nachhaltig, und dann nahm sie Eos
an der Hand und zeigte ihr die Nacht, und wahrhaft, Eos ließ sich ein und
fallen, in die Wärme und die Geborgenheit, lernte die Unbestimmtheit schätzen
und die Magie des Verborgenen. Bis zum Morgengrauen waren sie unterwegs. Doch
jetzt verstanden sie einander, in aller Tiefe. Nein, so etwas würden sie nie
wieder erleben. Ganz egal wohin sie kamen oder was das Leben noch für sie
bereit hielt, es hatte sie verändert, unauslöschlich.“
„Warum hörst Du auf zu erzählen? Was ist weiter geschehen?“,
fragtest Du mich.
„Das, was unausweichlich geschieht. Sie teilten noch einige
Zeit ihr Leben miteinander, und dann verloren sie sich. Unmerklich löste sich
die Vertäuung zwischen ihren Booten und dort, wo der Fluss ihres Lebens sich
teilte, dort trieben sie auseinander, ganz einfach. Viele, viele Jahre sind
seither vergangen und noch heute blicken sie gerne auf diese Zeit zurück, ohne
sie zurückholen zu wollen.
‚Wie viel habe ich profitiert von Deiner Spontanität und
Lebendigkeit!’, denkt Io.
‚Wie viel habe ich profitzier von Deiner Ruhe und
Beständigkeit!’, denkt Eos.
So haben sie beide in einer Art abgeschlossen, die sie
profitieren läßt. Wenn es so sein soll, werden sie sich wieder finden oder auch
jemand anderen, der sie bereichert. Wer weiß.“, schloss ich meine Erzählung.
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