Was, wenn es das letzte Mal wäre ...
Endlich bist Du eingeschlafen! Endlich ist Ruhe eingekehrt!
Ich weiß noch nicht einmal mehr wirklich was der Auslöser
war. Möglich, dass da auch nichts war, bloß diese Kleinigkeit, die sich
aufschaukelte, Aufhänger und Rechtfertigung für all die Bösartigkeiten, die wir
uns ungeordnet und wohl auch teilweise unmotiviert an den Kopf warfen.
Verletzungen, Mißverständnisse, Versäumnisse, ausgegraben aus längst vergangen
Zeiten, wieder erlebt, wieder durchlitten und neu zum Vorwurf gemacht. Immer
wieder durchgekaut, zäh wie Kaugummi, unangreifbar wie Watte. Doch.
Endlich bist Du eingeschlafen! Endlich ist Ruhe eingekehrt!
Es hätte ein schöner Abend werden können, so ein schöner
Abend, wenn Du nicht wieder angefangen hättest. Immer und immer wieder dieselbe
Leider. Oder war ich es? Du weißt genau, dass ich nicht perfekt bin. Bist Du es
denn? Du hast es von Anfang an gewusst. Schließlich habe ich niemals einen Hehl
gemacht aus meinen Schwächen. Ja, vielleicht ein wenig abgeschwächt. Ja,
vielleicht ein wenig geschönt. Wer tut das denn nicht? Wer sieht sich schon
selbst restlos ehrlich? Doch wenn Du es sagst, diese Schwächen benennst, dann
klingt das so ganz anders, viel härter und unbarmherziger. Und es hätte so ein
schöner, gemeinsamer Abend werden können. Ich hätte doch nur über diese eine,
kleine Bemerkung, von der ich noch nicht einmal mehr weiß, was es eigentlich war,
hinweggehen können. Oder hätte ich das tun sollen? Vertane Zeit, vertanes
Leben. Doch.
Endlich bist Du eingeschlafen! Endlich ist Ruhe eingekehrt!
Die Wut und der Ärger sind abgeflaut und haben sich
verabschiedet. Da bleibt nichts mehr außer der Trauer vielleicht über die
vertane Möglichkeit. Ich hätte doch nichts weiter tun müssen als einen kleinen
Schritt über meinen Schatten zu tun, um wieder zu Dir zu kommen, doch statt
dessen bin ich eher noch einen Schritt zurückgetreten, so dass der Schatten der
verletzten Eitelkeit noch größer, noch aufgeblähter wurde, immer größer, bis er
alles überragte und unter sich begrub. Nichts weiter als ein kleiner Schritt,
und nicht einmal diesem habe ich zu setzen vermocht. Hast Du mir die Hand
entgegengestreckt, so habe ich es nicht bemerkt, und hätte ich es bmerkt, so
hätte ich höchstens draufgeschlagen. Doch.
Endlich bist Du eingeschlafen! Endlich ist Ruhe eingekehrt!
Ich sehe Dich an. Du siehst so friedlich aus, wenn Du
schläfst, und es tut mir so unendlich leid, alles was ich tat und was ich nicht
tat. Ich möchte Dich bei der Hand nehmen, möchte Dich und mich um Verzeihung
bitten. Morgen, ja, morgen würde ich alles besser machen, morgen würde mir so
etwas nicht mehr passieren. Ja, morgen gibt es eine neue Chance, und ich werde
sie nutzen. Du wirst sehen, alles wird gut werden. Sobald Du erwachst werde ich
mit Dir über all das reden. Doch.
Was, wenn es das letzte Mal wäre ...
Was ist, wenn Du nicht mehr aufwachst? Was ist, wenn Du mir
gar keine Gelegenheit mehr gibst mich zu bewähren? Ein schrecklicher Gedanke.
Es könnte gewesen sein – ich muss Dich wecken, jetzt, sofort. Ich rüttlie Dich.
Schlaftrunken siehst Du mich an. Stotternd versuche ich zu erklären, versuche
ich mich Dir anzunähern, doch mit einem Handstreich wischt Du all meine
Gedanken und Worte weg, nimmst mich in den Arm und an. „Es ist gut. Es wird
gut.“, sagst Du mir, nichts weiter. Doch.
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