(2) Die Entscheidung
Wir hatten den Deckel vom Korb entfernt und konnten kaum
glauben was wir darunter entdeckten, denn der Korb war bis zum Rand mit Steinen
gefüllt, Steinen unterschiedlichster Größe und Farbe, dennoch, es waren nur
Steine.
„Warum nur schleppst Du Steine mit Dir herum?“, fragte ich,
ein wenig enttäuscht wohl über diese Entdeckung.
„Ich kann es Dir beim besten Willen nicht sagen“, antwortete
sie, „Ich habe mir den Korb nicht auf die Schultern geladen und ich habe ihn
nicht mit Steinen gefüllt.“
„Ja, den Korb hast Du Dir nicht selbst aufgeladen, denn
jeder von uns bekommt solch einen Korb mit, doch aufgefüllt hast doch Du ihn,
allerdings, ohne es wirklich zu machen“, sagte ich nachdenklich.
„Wie kommst Du darauf?“, fragte sie verwirrt.
„Schau Dir die Steine einmal genau an!“, forderte ich sie
auf.
„Die tragen alle Aufschriften!“, stellte sie überrascht
fest.
„Wir tragen alle unsere Last. Bei manchen ist sie so leicht,
dass sie faktisch nicht vorhanden ist. Das sind wohl auch diejenigen, die es
fabelhaft verstehen ihre Last anderen anzuhängen. Und bei anderen – wie bei Dir
– ist sie so schwer, dass sie zu Boden drückt“, sagte ich, einen Stein in der
Hand wiegend, einen besonders schweren.
„Aber muss denn das so sein?“, fragte sie weiter.
„Was hältst Du davon, wenn wir uns diese Steine einfach
einmal genauer besehen. Vielleicht finden wir welche, die Du abladen
könntest.“, schlug ich vor.
„Gute Idee“, stimmte sie mir zu.
Neben dem Korb setzten wir uns in die Wiese. Sie streckte
wohl bereits die Hand aus um den ersten Stein zu ergreifen, als sie sie wieder
zurückzog.
„Ich weiß nicht ob das wirklich gut ist“, sagte sie.
„Warum soll es nicht gut sein?“, fragte ich, denn ich
verstand nicht.
„Ich habe Angst vor dem, was dabei zum Vorschein kommen
könnte“, sagte sie kleinlaut, wieder leise und gebückt, als hätte sie den Korb
noch immer auf den Schultern
„Aber Du willst sie doch loswerden, diese Last? Oder willst
Du für den Rest Deines Lebens so gebückt gehen?“, fragte ich herausfordernd.
„Ja, das will ich, eigentlich schon, aber was ist, wenn ich
draufkomme, letztendlich, dass sie doch alle gehören oder dass ich sie nicht
abgeben kann, weil ich die Verantwortung trage?“, fragte sie ausweichend.
„Dann ist es dennoch fraglich ob Du sie wirklich mitnehmen
musst, ob Du da nicht Verantwortung für etwas oder für jemanden trägst, die Du
gar nicht tragen musst, gar nicht tragen solltest?“, gab ich zu bedenken.
„Das heißt, wenn ich ab jetzt eine Verantwortung fände, die
gar nicht mir gehören müsste, weil ich sie für jemand anderen übernommen habe,
dann müsste ich sie doch demjenigen zurückgeben?“, überlegte sie.
„Nein, das müsstest Du nicht nur, das musst Du“, entgegnete
ich entschieden.
„Aber das kann ich doch nicht machen! Ich kann die anderen
doch nicht im Stich lassen!“, entfuhr es ihr heftig.
„Doch, das kannst Du, denn wenn sie Dir die Verantwortung
aufbürden, dann lassen sie Dich im Stich und nicht umgekehrt!“, forderte ich
energisch.
„Gut, dann lass uns anfangen!“, entschied sie endlich, und
nahm den ersten Stein zur Hand, einen
ausnehmend großen, besah ihn von allen Seiten. Seine Aufschrift war „Mutter“.
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