0307 Ein kleines Stück Unabhängigkeit


Ein kleines Stück Unabhängigkeit


Zufrieden und satt saß er an diesem Abend vor dem Fernseher, als sie sich zu ihm setzte, nachdem die Kinder ganz brav eingeschlafen waren. Geduldig wartete sie bis die Sportsendung zu Ende war, bevor sie sagte was sie zu sagen haben meinte.

„Wie war Dein Tag, Schatz?“, fragte sie.
„Äußerst erfolgreich, aber auch dementsprechend anstrengend, wie Du Dir denken kannst. Es wird einfach immer härter. Man muss immer 150% geben, nicht einfach nur 100%, hörst Du, 150% sage ich“, erklärte er ihr.
„Ja, ich verstehe sehr gut was Du meinst“, stimmte sie ihm zu.
„Aber es hilft ja nichts, denn schließlich will ich ja, dass es meiner Familie gut geht“, fügte er hinzu.
„Es ist wirklich beeindruckend was Du alles für uns tust und auf Dich nimmst“, bestätigte sie.
„Da hast Du recht, aber es ist auch gut und richtig so“, stimmte er ihr zu und quittierte seine Worte mit einem zufriedenen Grunzen.
„So habe ich mir gedacht, ich könnte Dich doch ein wenig entlasten“, sagte sie vorsichtig.
„Inwiefern könntest Du mich denn entlasten?“, fragte er skeptisch.
„Nun, ich dachte mir, nachdem beide Kinder nunmehr in den Kindergarten gehen, könnte ich doch wieder anfangen zu arbeiten“, sagte sie vorsichtig.
„Und wie stellst Du Dir das vor? Die Kinder sind ja schließlich nur am Vormittag im Kindergarten“, entgegnete er forsch.
„Es wären zu Anfang auch nur 20 Stunden, d.h. vier Stunden pro Tag. Das ginge sich doch mit dem Kindergarten aus“, erklärte sie.
„Und welcher Arbeitgeber kann jemanden gebrauchen, der nur 20 Stunden anwesend ist?“, blieb er reserviert.
„Mein ehemaliger Chef. Ich habe heute beim Einkaufen eine damalige Kollegin getroffen, die es mir erzählt hat. Das wäre doch optimal für einen Neueinstieg“, versuchte sie es ihm schmackhaft zu machen.
„Du weißt, ich unterstütze Dich wo immer ich kann, doch über eines musst Du Dir im Klaren sein, der Haushalt und die Kinder dürfen nicht darunter leiden!“, erklärte er dezidiert.
„Du wirst sehen, das ist alles kein Problem. Ich würde von halb acht bis um halb zwölf arbeiten“, sagte sie erfreut.
„Ach, so genau weißt Du das schon? Woher?“, fragte er argwöhnisch.
„Das hat mir meine ehemalige Kollegin erzählt“, antwortete sie knapp.
„Und das alles nebenbei beim Einkaufen? Wahrscheinlich hast Du mal wieder den ganzen Vormittag im Kaffeehaus verbracht!“, mutmaßte er, und es kam ihr vor, als müsste sie der Inquisition Rede und Antwort stehen.
„Ja, wir waren miteinander einen Kaffee trinken, aber höchstens eine halbe Stunde“, rechtfertigte sie sich.
„Na gut“, sagte er mürrisch.
„Es wäre nur, dass Du die beiden in den Kindergarten bringen müsstest“, sagte sie vorsichtig.
„Wie stellst Du Dir das vor?“, brauste er auf.
„Nun, es wäre genau zu der Zeit, zu der Du normalerweise zur Arbeit fährst, so dass Du sie nur absetzen müsstest“, erklärte sie.
„Das geht auf gar keinen Fall. Nur, weil Du Dir einbildest arbeiten gehen zu müssen, stelle ich doch nicht mein Leben auf den Kopf. Also schlag Dir das gefälligst aus dem Kopf! Aber Du weißt ja, ich unterstütze Dich wo ich nur kann“, sagte er abschließend, um sich nun wieder voll und ganz dem Fernsehen zu widmen.

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