Weg mit dem Binnen-I
Plötzlich war es aufgetaucht, plötzlich und aus heiterem
Himmel. Niemand hatte ihm eine Überlebenschance gegeben, denn wozu sollte das
denn nun wieder gut sein. Von Sprachverfälschung und –verschandelung war die
Rede, mal ganz abgesehen davon, dass es eben gerade damals der schlechteste
aller denkbaren Zeitpunkte war über so etwas nachzudenken, denn schließlich gab
es viel größere und gravierendere Probleme. Diese größeren und gravierenderen
Probleme gibt es, zugegebenermaßen, immer und der Zeitpunkt wäre immer der schlechteste
aller denkbaren, und dennoch setzte es sich durch und blieb, bis heute. Als nun
also die etwas oberflächliche Kritik keine Wirkung zeigte, wurde versucht dem
Kern der Sache näher zu kommen und das Anliegen, das dahinter steckte,
auszuhebeln.
„Wenn ein Seminar von 15 Studentinnen besucht wird, so wird
von Studentinnen gesprochen. Wird jedoch eben jenes Seminar von 14 Studentinnen
und einem Studenten besucht, so war der bisherige Sprachtenor 15 Studenten,
d.h. die 14 Studentinnen wurden einfach ausgeblendet, denn wenn wir nur von 15
Studenten sprechen, so ist in unserem Kopf ein Bild von 15 männlichen
Studenten“, war die Argumentation derer, die sich dafür stark machten.
„Nein, nein, ganz bestimmt nicht, denn unser Denken und
Vorstellen ist so völlig vorurteilsfrei und offen, dass wir uns gar kein Bild
machen, und wenn doch, dann eines, in dem männliche und weibliche Studenten
gleichermaßen vertreten sind“, meinten die Gegner. Und das stimmt sicher.
Niemand würde auf die Idee kommen sich unter einem Arzt einen Mann im langen,
weißen Kittel vorzustellen, wo wir doch seit Bilderbuchtagen auf dieses Bild
getrimmt wurden. Dennoch will ich der Argumentation der Gegner Folge leisten
und das Binnen-I wieder aus dem Sprachgebrauch verdammen, um stattdessen durchgehend
die weibliche Form zu benutzen. Wird nun jenes Seminar von 14 Studenten und
einer Studentin besucht, so sprächen wir schlicht von 15 Studentinnen, denn
einerseits ist die männliche Form selbstverständlich immer mitgenannt und in
unserem Kopf gibt es keine Vorurteile. Der Bericht vom nächsten
Ärztinnenkongress wird von 100 teilnehmenden Ärztinnen berichten, völlig egal
wie viele Ärzte und Ärztinnen daran teilnahmen. Wenn wir nächstens nicht mit
Sicherheit wissen ob ein Essay von einer Frau oder einem Mann verfasst wurde,
so sprechen wir sicherheitshalber von der Autorin – denn auch darin steckt ja
der Autor. So ist allen geholfen. Den Sprachpuristinnen, die nun endlich dieses
scheußliche große I mitten im Wort wieder los sind und den Befürworterinnen,
die in allem die weibliche Form finden. Bloß zu den Substantiven, zu denen es
bisher noch nicht einmal eine weibliche Form gab, wird sich eine finden, so
dass frau nicht mehr gezwungen sein wird von „dem Gast“ zu sprechen, wenn sie
eine Frau eingeladen hat. Oder frau von sich behaupten muss, sie sei der größte
„Fan“. Nur zum Priester müssen wir keine weibliche Form finden, denn die gibt
es bereits. Und auch, wenn es gewöhnungsbedürftig scheint, wenn die Menschin
lange genug im Sprachgebrauch steht, wird uns auch dieses Wort irgendwann
leicht über die Lippen gehen. Dann leben die Frauen, auch in der Sprache, und
die Männer – die sind ja sowieso immer mitgemeint.
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