2108 In meinem Traum


In meinem Traum


Ich habe von Dir geträumt. Du hast Dich eingeschlichen, in meinem Traum, einfach so. Ich habe Dich nicht darum gebeten. Ich konnte es Dir nicht wehren. Plötzlich warst Du da. Ich wollte noch sagen, dass Du weggehen sollst, doch da war es schon zu spät, denn Du warst ja da, und ich habe Dich gesehen. Nicht einmal in meinem Traum hast Du Dich mir zugewandt. Dabei war es doch immerhin mein Traum. Hast Du noch nicht einmal so viel Anstand Dich in meinem Taum mir zuzuwenden? Aber ich war nur Zuschauerin. Du warst in ein intensives Gespräch vertieft, mit einem Mädchen. Du hast nichts gehört, nichts gesehen, und ich stand abseits und sah nur hin. Ja, ich habe hingesehen, weil ich mich nicht abwenden konnte, weil es mir nicht gelang Dich zu ignorieren, aber selbst das Ignorieren setzt das Wahrnehmen voraus. Hätte ich doch können, ein kurzer Blick, und wieder an etwas anderes denken, aber das ist so mit dem Gedanken an Dich. Ein kurzer Anstoß genügt, und es breitet es sich über mein Denken wie eine breiige, zähe Masse, die sich verteilt, langsam und stetig, alles andere unter sich begräbt, und klebt, zäh und nachhaltig wie Teer. Monatelang mühe ich mich es abzuschrubben, bis auch der kleinste Rest getilgt und entfernt ist. Gerade hatte ich es geschafft, als Du wieder da warst, da in meinem Traum, wie Du damals da warst, da in meinem Leben. Jeden Moment, so dachte ich in jenem Damals, jeden Moment will ich wahrnehmen, wie in Zeitlupe, um ihn mir einzuprägen, gedacht für die Ewigkeit. Ich schärfte meinen Blick und meine Annahme und meiselte sie mir ein, wie der Bildhauer in Stein, jeden einzelnen Moment. Ich habe sie nicht bloß niedergeschrieben, so dass ich sie wegradieren könnte, diese Momente, nicht bloß aufgedruckt, so dass ich sie mit Tippex übermalen könnte, nein, ich habe sie in Stein gemeißelt, so tief und unauslöschlich. Ich hänge ein Tuch darüber, doch der Wind weht es weg. Ich stelle einen anderen Stein davor, doch er ist nicht groß genug. Kein Stein ist groß genug. Ich versuche es dennoch, doch dann, wenn ich meine es geschafft zu haben, endlich geschafft zu haben, dann tauchst Du wieder auf, in meinem Traum. Sicher, Du kannst sagen, es ist mein Traum, und was darin geschieht, dafür trage ich allein die Verantwortung. Was kannst Du schließlich für meine Träume. Nein, Du kannst nichts für meine Träume, genau so wenig wie für meine Gedanken. Du kannst für nichts etwas. Du trägst keine Schuld. Ich trage keine Schuld. In der Liebe gibt es keine Schuld. Immer nur einen, der liebt und einen, der es nicht tut. Einer, dem der Schmerz das Herz verbrennt, und einen, der kopfschüttelnd daneben steht und nicht versteht, nicht verstehen kann. Einer, der die Erinnerung bewahrt wie einen kostbaren Schatz, und einen, der sich wundert, dass das überhaupt passieren konnte. So selten passiert es, dass beide lieben. So gut wie nie passiert es, dass beide auf die selbe Weise lieben. Ich habe Dich scherzen und lachen gesehen, mit diesem Mädchen, in meinem Traum. Du sahst glücklich aus, und es ist gut für Dich, gut glücklich zu sein. Ich schaffe es das zu sagen, aber ich will es nicht sehen, und schon gar nicht in meinem Traum. Ich bin nicht erwacht. Ich habe es mir nicht gegönnt mich aus dieser Situation zu befreien. Ich bin einfach nur dagestanden und habe zugesehen, dem Scherzen und Lachen, dem Glücklich-sein und der Freude, dem Küssen und Kosen. Das alles war in meinem Traum, in meinem, nicht in irgendeinem, nicht irgendwo und irgendwer. Nein, Du warst es in meinem Traum, gerade in dem Moment, in dem ich gerade wieder frei durchatmen konnte, in dem der Schmerz so weit nachgelassen hatte, dass er mir schon beinahe ein vertrauter, aber kein störender Begleiter mehr war, gerade da, schleichst Du Dich ein in meinem Traum. Nach wie vor weiß ich um jeden einzelnen unserer Momente, der wenigen, aber intensiven. Ich weiß darum, und will es nicht mehr wissen. Mehr noch, ich kann darin zurückkehren und sie wieder erleben, doch es wird nie mehr sein, ich weiß es. Erwacht aus dem Traum, springe ich in den See, ihn abzuwaschen, gehe ich durch das Feuer, ihn auszubrennen, doch er klebt an mir wie Teer, wie die Gedanken, die Momente und die Liebe.

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