1909 Fährmann (1)


Fährmann (1)



Fährmann, setz mich über
Stoß Deinen Stab durch das schwarze Wasser in die warme Erde.
Ich gehe
Ich atme
Ich lebe
Fährmann, setz mich über
Führe den Stab mit Deinen starken Armen und treibe den Nachen voran.
Ich stehe
Ich sehe
Ich bin
Fährmann, setz mich über
Bring mich an den Ort, von dem sich meine Sehnsucht erfüllt
Ich laufe
Ich sehne
Ich werde
Fährmann, setz mich über

Dem, den meine Seele sucht,
dem, den sich meine Gedanken zuwenden
dem, den sich meine Worte enthüllen!

Heute Nacht bin ich schmerzfrei, zum ersten Mal seit vielen 
ungezählten Nächten. Nein, nicht schmerzfrei. Ich habe den Schmerz der 
alles überdeckt und verschlingt, beiseite geschoben, und habe 
entdeckt, dass darunter das sanfte Glück spürbar ist, das ich mit Dir 
erleben durfte, vor vielen ungezählten Nächten, spürbar, wenn ich
stark genug bin durch den Schmerz hindurch zu tauchen und einzutauchen in 
die Wärme jenes Momentes, einst, wo Du mich getragen hast, hinaus, 
weit hinaus, über das was man gemein hin Liebe nennt, unerreichbar, 
unantastbar für jeglichen fremden Zugriff, dorthin, wo die Liebe endet 
und die Offenheit beginnt, Offenheit die ich Dir bin, gleich einem 
weiten, blühenden Feld, einladend, von Dir begangen und erforscht zu 
werden oder dich auszuruhen, Ort der Ankunft und des Bleibens zu sein, 
getragen hast, dorthin, wo das Leid endet und der Moment Ewigkeit 
heißt.

Dies habe ich wieder entdeckt, was während all der Nächte unter dem 
Schmerz verdeckt und brach lag, erwartend diese Nacht, in der ich Dich 
aufs Neue erwarte, erwarte, in diesem Raum, den ich Dir nennen werde, 
den Raum in den ich mich für Dich aus der Welt, aus der Vorspiegelung 
dessen, was wir das reale Leben nennen, zurückziehen werde, für diesen einen Moment des Miteinander und Ineinander, der Heilung und der 
Ganzwerdung, in diesem Raum werde ich Dich erwarten, um Erfüllung zu 
finden, wo kein Gedanke versteckt werden muss, kein Wort 
unausgesprochen bleibt und keine Tat Sühne verlangt, werde ich leiden.

Komm zu mir, an diesen Ort der nur uns gehört, da es ihn nur für uns 
gibt, gebaut und gehalten von unseren Wünschen, Hoffnungen, Tränen und 
Sehnsüchten, gestärkt durch unsere Hingabe und unser Verlangen.

Komm zu mir!

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