Deine Ankunft
Vorsichtig öffnest Du das Tor. Es ist still
und dunkel. Deine Schritte hallen in der Weite des Raumes. Willst Du meinen
Namen rufen? Die Weite lässt Dich verstummen. Die Weite ängstigt Dich. Wohin
sollst Du Dich wenden? Es gibt keinen Weg, den Du kennst, hier in meiner Burg.
Suchst Du mich? Soll ich Dich leiten? Soll ich Dir entgegen gehen? Soll ich
Dich in Empfang nehmen? Aber ich weiß nichts um Deine Ankunft. Ich ahne es
vielleicht. Ich erwarte Dich, ruhig und unbeeindruckt, noch. Weiß ich wirklich
um Deine Ankunft? Weiß ich wirklich um Dich? Was kann ich um Dich wissen? Du
wendest Dich nach links und hoffst, dass es der richtige Weg ist. Die Mauern
sind starr und stumm, unnachgiebig und unbeeindruckt. Langsam tastest Du Dich
durch die Dunkelheit. Der Gang ist lang. Die erste Türe, die Du passierst, aber
da ist die Dunkelheit noch nicht zu Ende. Ob der Weg der richtige ist? Ob Du
Dich nicht doch in die andere Richtung hättest wenden sollen? Du bist unsicher.
Und ich sitze im Zimmer mit dem Kamin. So nahe wähnten wir uns, so intensiv
schien unser Zu-einander-Wollen zu sein, und ich ahne noch nicht einmal etwas
von Deiner Ankunft. Wäre ich Dir entgegengeeilt, hätte ich Dir den Weg
gewiesen, hätte ich Dich an der Hand genommen? Stattdessen sitze ich hier vor
dem Kamin, sehe ins Feuer, habe vielleicht sogar die Ruhe ein Buch zu lesen.
Was weiß ich um Dein Auf-mich-Zu? Was weiß ich um Dich? Starr und stumm,
unnachgiebig und unbeeindruckt scheine ich zu sein. Vielleicht wünsche ich mir, dass Du kommst.
Ich habe es auch gesagt, komm, doch nicht zum Steg, sondern in die Burg, hier
zu mir an den Kamin, denn es ist kalt geworden. Hat denn die Kälte schon mein
Herz ergriffen, bis zu meinen Sehnen, dass mir Deine Annäherung unbemerkt
bleibt. Sollte sie mich nicht in Unruhe versetzen? Sollte sie mich nicht mit
Freude erfüllen, alleine die Ahnung? Ich habe die Einladung ausgesprochen, und
damit hatte ich meinen Teil getan. Der Ball lag nun bei Dir. Ruhig sitze ich
vor dem Kamin, während Du durch die Dunkelheit irrst, ängstlich und
verunsichert. Du fängst an Dich zu fragen warum Du eigentlich da bist? Warum
hat Dich Dein Sehnen hierhergeführt? Was bleibt von der Magie der
Versprechungen, wenn Du allein durch diese kalten Gänge irren musst? Tür um Tür
öffnest Du, doch in jedem wohnt die Finsternis und die Kälte und die Leere. Was
weißt Du von meinem echten Wollen? Was weißt Du von mir? Doch noch willst Du
nicht aufgeben. Wir sind schon so viele Wege miteinander gegangen, zu viele, um
schon aufzugeben. Bilder des Miteinander brechen ein in Dein Denken und geben
Dir die Kraft weiterzugehen. Vielleicht rührt sich da doch was in mir. Ob Du
kommst, denke ich. Ich wende mich zur Tür um. Sollte ich nicht doch sehen ob Du
kommst? Sollte ich mich auf den Weg machen? Weiß ich denn ob meine Sehnsucht
der Deinen gleicht? Weißt Du denn ob meine Sehnsucht der Deinen gleicht? Haben
wir denn je darüber gesprochen? Haben wir je ein Geheimnis daraus gemacht? Gilt
denn nur das Ausgesprochene? Aber vielleicht habe ich es nicht richtig
verstanden und in das Unausgesprochene bloß meine Wünsche projiziert. Das
Unausgesprochene, das kannst Du immer richtig verstehen. Immer richtig
verstehen. Ich kann Dich nicht verantwortlich machen. Genauso wenig wie Du
mich. Weißt Du denn ob ich Dein Unausgesprochenes verstanden habe? Weiß ich
denn ob ich Dein Unausgesprochenes verstanden habe? Als sie mich endlich
erreicht, die Unruhe, mich auftreibt, hinaus auf den dunklen Gang. Das Licht
fällt durch die geöffnete Türe. Du bist da. Ich spüre Deine Erleichterung.
Sanft nehme ich Dich an der Hand und führe Dich zum Kamin. Erschöpft lässt Du
Dich nieder. „Halt mich“, sagst Du mir wortlos, und ich nehme Dich in den Arm.
Warum müssen wir so viel herumdenken, wo das Einfache, das Naheliegende vor
Augen steht? Warum stehen wir uns so gerne selbst im Weg. „Es ist gut, dass Du
da bist“, sage ich, und Du bist angekommen.
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