0101 Deine Ankunft


Deine Ankunft


Vorsichtig öffnest Du das Tor. Es ist still und dunkel. Deine Schritte hallen in der Weite des Raumes. Willst Du meinen Namen rufen? Die Weite lässt Dich verstummen. Die Weite ängstigt Dich. Wohin sollst Du Dich wenden? Es gibt keinen Weg, den Du kennst, hier in meiner Burg. Suchst Du mich? Soll ich Dich leiten? Soll ich Dir entgegen gehen? Soll ich Dich in Empfang nehmen? Aber ich weiß nichts um Deine Ankunft. Ich ahne es vielleicht. Ich erwarte Dich, ruhig und unbeeindruckt, noch. Weiß ich wirklich um Deine Ankunft? Weiß ich wirklich um Dich? Was kann ich um Dich wissen? Du wendest Dich nach links und hoffst, dass es der richtige Weg ist. Die Mauern sind starr und stumm, unnachgiebig und unbeeindruckt. Langsam tastest Du Dich durch die Dunkelheit. Der Gang ist lang. Die erste Türe, die Du passierst, aber da ist die Dunkelheit noch nicht zu Ende. Ob der Weg der richtige ist? Ob Du Dich nicht doch in die andere Richtung hättest wenden sollen? Du bist unsicher. Und ich sitze im Zimmer mit dem Kamin. So nahe wähnten wir uns, so intensiv schien unser Zu-einander-Wollen zu sein, und ich ahne noch nicht einmal etwas von Deiner Ankunft. Wäre ich Dir entgegengeeilt, hätte ich Dir den Weg gewiesen, hätte ich Dich an der Hand genommen? Stattdessen sitze ich hier vor dem Kamin, sehe ins Feuer, habe vielleicht sogar die Ruhe ein Buch zu lesen. Was weiß ich um Dein Auf-mich-Zu? Was weiß ich um Dich? Starr und stumm, unnachgiebig und unbeeindruckt scheine ich zu sein.  Vielleicht wünsche ich mir, dass Du kommst. Ich habe es auch gesagt, komm, doch nicht zum Steg, sondern in die Burg, hier zu mir an den Kamin, denn es ist kalt geworden. Hat denn die Kälte schon mein Herz ergriffen, bis zu meinen Sehnen, dass mir Deine Annäherung unbemerkt bleibt. Sollte sie mich nicht in Unruhe versetzen? Sollte sie mich nicht mit Freude erfüllen, alleine die Ahnung? Ich habe die Einladung ausgesprochen, und damit hatte ich meinen Teil getan. Der Ball lag nun bei Dir. Ruhig sitze ich vor dem Kamin, während Du durch die Dunkelheit irrst, ängstlich und verunsichert. Du fängst an Dich zu fragen warum Du eigentlich da bist? Warum hat Dich Dein Sehnen hierhergeführt? Was bleibt von der Magie der Versprechungen, wenn Du allein durch diese kalten Gänge irren musst? Tür um Tür öffnest Du, doch in jedem wohnt die Finsternis und die Kälte und die Leere. Was weißt Du von meinem echten Wollen? Was weißt Du von mir? Doch noch willst Du nicht aufgeben. Wir sind schon so viele Wege miteinander gegangen, zu viele, um schon aufzugeben. Bilder des Miteinander brechen ein in Dein Denken und geben Dir die Kraft weiterzugehen. Vielleicht rührt sich da doch was in mir. Ob Du kommst, denke ich. Ich wende mich zur Tür um. Sollte ich nicht doch sehen ob Du kommst? Sollte ich mich auf den Weg machen? Weiß ich denn ob meine Sehnsucht der Deinen gleicht? Weißt Du denn ob meine Sehnsucht der Deinen gleicht? Haben wir denn je darüber gesprochen? Haben wir je ein Geheimnis daraus gemacht? Gilt denn nur das Ausgesprochene? Aber vielleicht habe ich es nicht richtig verstanden und in das Unausgesprochene bloß meine Wünsche projiziert. Das Unausgesprochene, das kannst Du immer richtig verstehen. Immer richtig verstehen. Ich kann Dich nicht verantwortlich machen. Genauso wenig wie Du mich. Weißt Du denn ob ich Dein Unausgesprochenes verstanden habe? Weiß ich denn ob ich Dein Unausgesprochenes verstanden habe? Als sie mich endlich erreicht, die Unruhe, mich auftreibt, hinaus auf den dunklen Gang. Das Licht fällt durch die geöffnete Türe. Du bist da. Ich spüre Deine Erleichterung. Sanft nehme ich Dich an der Hand und führe Dich zum Kamin. Erschöpft lässt Du Dich nieder. „Halt mich“, sagst Du mir wortlos, und ich nehme Dich in den Arm. Warum müssen wir so viel herumdenken, wo das Einfache, das Naheliegende vor Augen steht? Warum stehen wir uns so gerne selbst im Weg. „Es ist gut, dass Du da bist“, sage ich, und Du bist angekommen.

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