In mich gegangen
Letztens ging ich einmal in mich.
Wahrscheinlich hatte ich gerade mal nichts besseres oder zumindest nichts
anderes zu tun oder keinen besseren oder zumindest anderen Platz um hinzugehen.
Außerdem wollte ich das schon lange einmal machen, weil doch alle immer sagen,
geh doch einmal in Dich. Das ist eine tolle Erfahrung. Na ja, man kommt dann
auch nicht gleich immer dazu. So wie gesagt wird, fahr doch mal nach
Gramatneusiedl, da ist es auch nett, denke ich mit vielleicht auch, das
könntest Du doch einmal machen, wenn Zeit ist und das Wetter passt und die Luft
nicht zu trocken ist. Aber dieser Gang in mich, das passte gerade, weil dieser
doch eher witterungsunabhängig war, und ich mich zu meinem Glück gerade dabei
hatte, also nicht erst mühsam einen Termin finden musste, der uns beiden
gerecht geworden wäre, kurzum, die Umstände waren ausgesprochen günstig und
vielversprechend. Und Gramatneusiedl würde mir auch nicht davonlaufen. So eine
tolle Erfahrung wollte ich mir nicht auf die Dauer entgehen lassen. Schließlich
wollte ich mich doch endlich auch einbringen können, in die Reihen all jener,
die diesen Gang bereits getan hatten. Da merkte ich plötzlich, dass ich mich
ein wenig zu lässig an dieses Thema herangemacht hatte, sozusagen ungerüstet
und ohne jegliche weitere Informationen, z.B. Mit welcher Reisezeit man so im
Schnitt zu rechnen hätte? Ob ich mir eine Jause einpacken sollte oder ob ich
wohl rechtzeitig zum Abendessen wieder da sein würde? Und wenn es etwa noch
länger dauern sollte, würde ich eine entsprechende Unterkunft finden, so ganz
ohne Internet? Das würde in mir ganz bestimmt nicht funktionieren, wo es doch
noch nicht einmal in einem läppischen Tunnel mehr will, und dann erst so tief
in mir? Das hieß aber auch, ich könnte niemanden anrufen, falls ich mich
verlaufen sollte, mir den Knöchel verstauchte. Aber was sollte das denn alles?
Wo war denn bitte mein Entdeckergeist, meine Spontanität abgeblieben? Denk an
Amundsen. Der hatte schließlich auch keine Ahnung, als er zum Südpol aufbrach,
und so kalt wie dort würde es an meinem Ziel nicht sein. Nein, kalt wäre es
bestimmt nicht mir. Sicherheitshalber plünderte ich dann doch noch den
Kühlschrank, und dann war ich bereit. Ich ging in mich, erforschte alle Winkel,
bog in jede Nebengasse ein und folgte jedem Hinweis. Mit einem Wort, ich war
außerordentlich gründlich auf meinem Gang durch mich, und das obwohl ich schon
nach wenigen Minuten wieder gehen wollte, nachdem mir alles so bekannt vorkam,
und deshalb eher uninteressant bis langweilig war. Aber nein, so schnell gab
ich nicht auf. Jetzt war ich schließlich einmal da, jetzt wollte ich das auch
zu Ende führen, wenn es sein musste bis zum bitteren Ende. Einmal oder zweimal
meinte ich doch tatsächlich, da wäre etwas, was neu wäre, was ich nicht kannte,
aber es war dann doch nur etwas, was ich nur vergessen hatte. Gründlich,
konsequent und hartnäckig war ich, doch es änderte nichts. Was nicht da ist, lässt
sich auch nicht herzwingen. Weitab von jeglicher Erfahrung, ganz zu schweigen
von einer tollen, fand ich entsprechend frustriert wieder aus mir heraus. Alles
aufregender als das, dachte ich, sogar Gramatneusiedl.
Und als Du zu mir kamst - ich hatte
Kaffee und Kuchen vorbereitet, da war plötzlich keine Frage mehr und jegliche
Bedenken waren verschwunden, als Du in mich gingst, und mich mir zeigtest, wie
ich mich selbst niemals zu sehen vermocht hätte, als Du mir Seiten entdecktest,
die ich nie in mir entdeckt hätte. Durch Deine Augen mich zu sehen, das ist der
Weg, in Deiner Offenheit und Zuwendung, da kann ich sein, wachsend, werdend,
und doch immer seiend. Nach Gramatneusiedl fuhren wir dann auch gemeinsam, weil
es egal ist wohin ich mit Dir fahre. Mit Dir ist es überall schön,
witterungsunabhängig, sogar Gramatneusiedl.
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