2002 Liebe & so


Liebe & so


Ich musste wohl eingeschlafen sein. Trotz allem war ich eingeschlafen, versunken in die Wärme Deiner Berührung und die der Nacht, versunken in Dich und in meine Gedanken. Ich musste wohl eingeschlafen sein, hinein in die aufgehende und untergehende Sonne, denn die Nacht war wiedergekehrt, und ich erwachte in Deine Arme.

Du bist geblieben, dieses eine Mal bist Du geblieben, hier, bei mir, auf meinem Steg. Dass es Dir gelungen war so ruhig hier zu bleiben? Dass es nichts gab, keine anderwertige Aufgabe oder Verpflichtung, die Dich von mir forttrieb, hinaus in Dein, mir namenloses Leben? Ich hütete mich wohlweislich Dich zu fragen, denn vielleicht hast Du einfach nur vergessen, dass es da noch etwas gab, dort in einem Irgendwo, etwas, das Du bloß vergessen hattest. Fragte nicht, um nicht vorzeitig darauf aufmerksam zu machen, dass Du gehen könntest, eigentlich. Nein, ich tat nichts dergleichen, stattdessen lächelte ich Dich an, küsste Dich, mit geschlossenen Augen, um diese Berührung nicht zu verlieren, so kurz sie auch immer sein mochte.

„Siehst Du den Mond?“, fragtest Du mich schließlich.
„Natürlich sehe ich ihn, sehe ihn wie jede Nacht.“, antwortete ich irritiert.
„Ja, Du siehst ihn, aber er ist nicht immer gleich, doch vor allem, er kommt und er geht, zwar verlässlich, aber sein Kommen und Gehen macht es, dass wir uns darauf freuen ihn zu sehen.“, sagtest Du.
„Und so freue ich mich darauf, dass Du kommst. Ist das nun Deine Art mir zu sagen, dass Du gehen willst?“, fragte ich, etwas konsterniert.
„Nein, es ist meine Art Dir zu sagen, dass ich hier bin und Dir bin, nicht immer und nicht immer gleich, aber wenn ich da bin, dann bin ich Dir, ganz und gar und restlos, Dir hingegeben, ewig gleichen und zugleich ewig sich ändernden Mond.“, sagtest Du.
„Liebst Du mich?“, fragte ich Dich.

Du antwortetest nicht, lange antwortetest Du nicht. Ich dachte schon, Du hättest meine Frage nicht gehört, als hätten sie der Wind und die Wellen davongetragen.

„Nein.“, antwortetest Du schließlich, „nein, ich liebe Dich nicht.“

Und sogleich rückte ich von Dir ab. Das war keine Antwort auf solch eine Frage. Das war einfach keine Option.

„Ich liebe Dich nicht, wie die Welt uns zu lieben lehrt, mit all den implizierten Macht- und Herrschaftsansprüchen, mit dem damit verbundenen Versagen der Offenheit für neue Begegnungen, mit dem Zwang der Wiederholung.“, sagtest Du.
„Wenn Du mich nicht so liebst, dann doch anders. Erklär es mir!“, bat ich, bereitwillig in Deinen Arm zurückkehrend.
„Ich liebe Dich, wenn Du damit meinst, Raum Deiner Ankunft zu sein, den Du verlassen und in den Du wieder zurückkehren darfst, wenn Du damit meinst, Raum Deiner Offenbarung Deiner selbst zu sein, in all ihrer Schönheit und Abgründigkeit, wenn Du damit meinst, die Freiheit zu wachsen, über Dich selbst hinaus, wenn Du damit meinst, der Nährboden, aus dem Du Kraft schöpfen kannst. Wenn Du das meinst, ja, dann liebe ich Dich.“, sagtest Du.
„Ja, dann, wenn Du meinst lebendigstes, atmendes Leben, dann liebe ich Dich.“, sagte ich.

Und der Mond ging seine Bahn.

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