Von der
Erschaffung des Menschen (1)
Im Anbeginn der Zeiten war es, und Gaya, die Mutter allen Lebens,
freute sich über das Gewusel und Getummel auf ihr, über all die wunderbaren
Dinge, die ihr Antlitz zierten. Niemals war sie so schön und anziehend gewesen,
als in dieser erhebenden Freude über all das atmende, lebendige Leben. Und
Uranos, der Himmel, dem dies nicht verborgen blieb, entbrannte in Leidenschaft,
so dass er sich niedersenkte, sie ganz umhüllte, um sich mit ihr zu vereinen,
sich in ein wunderbares, liebendes Miteinander zu verlieren. Dieser
Vereinigung, die weder zweck- noch zielgerichtet war, sondern ein in sich
selbst ruhendes und sich darin Genüge seiendes in Liebe Umfangen darstellte,
entspross das anmutigste Wesen, das je erblickt wurde und werden konnte. Es war
so anmutig und lieblich, dass sich die Tierwelt staunend versammelte und ob
dieser Lieblichkeit und Wärme, die das Wesen ausstrahlte, zahm und zutraulich
wurde. Selbst das wildeste Geschöpf, sei es nun Eber, Wolf oder Bär, alle lagen
zu dessen Füßen und fühlten sich wohl. Da lag das Lamm neben dem Wolf und der
Löwe neben der Gazelle, und keines musste fürchten Schaden zu nehmen. Doch
diese Harmonie und paradiesische Eintracht war nicht nur in der Anmut und Wärme
dieses Wesens begründet, sondern in seiner liebenden Zugewandtheit, denn das
Wesen war zweigestaltig, denn nur in der Dualität ist Zuwendung möglich. Lilith
und Eva waren diese beiden ersten Menschen, das Urmenschenpaar, die eine
dunkel-, die andere hellhäutig, die eine ruhig, die andere lebhaft, ergänzten
sie sich auf wunderbare Weise zu einer Einheit. Der Blick war ineinander, ohne
das sie Umgebende auszuschließen, vielmehr wurde alles, was sie umgab mit freundlicher
Verbundenheit in die Vertrautheit der Zweisamkeit hineingenommen. Ihre Liebe
war umfassend und nicht nur narzisstisch in sich geschlossen. Alles hatte darin
Platz, ohne sich zu verlieren oder zu verzetteln. Die Liebe ward und Lilith und
Eva waren die Verkörperung dieser Liebe, die sich in der Erfahrung ihrer
Selbst, im Verschenken ihrer Selbst genügte. Rein und vollkommen waren sie in
ihrer natürlichen Nacktheit. So nahmen sie sich an den Händen und erfreuten
sich an den Gaben ihrer großen Mutter Gaya, und an sich. Mit Wohlwollen und
Zärtlichkeit sah auch Gaya auf dieses wunderbare Geschöpf, das sie bewohnte.
Für diese beiden erblühte sie nochmals, erblühte so schön, farbenprächtig und
reich wie nie zuvor. Und sie hatte keinen Blick mehr für Uranos, entzog ihm
seine Aufmerksamkeit. Da stieg die Wut in ihm auf, so zurückgesetzt zu werden,
so ignoriert. Und er beschloss Gaya und ihre Zauberwesen zu bestrafen. So vergoss
er seinen Samen, aus selbstbezogenem, Ich-zentriertem Tun über Gaya und daraus
erwuchs ein Wesen, für sich, allein und zentriert in sich blieb. Und er nannte
dieses Wesen Adam. Erstaunt entdeckten Lilith und Eva ihn. Er sah im Großen und
Ganzen genau so aus wie sie selbst, doch da war etwas, was sie besorgt sein
ließ. Sie spürten wie die Tiere vor ihm zurückwichen und sich ängstlich hinter
den Frauen scharrten, wie sie sich einigelten und langsam eine Disharmonie zu
ihnen schwappte, die Disharmonie des Getrennten und Vereinzelten, die
Disharmonie des In-Sich-Zentrierten, und dann entdeckten sie noch etwas, und
das ließ ihnen einen kalten Schauer über den Rücken laufen, etwas, das ihr
Mitleid erweckte. „Du Ärmster“, riefen sie aus, „Ist das nicht schrecklich? Tut
das nicht weh?“ Adam wirkte irritiert und wusste nicht worauf die beiden hinauswollten,
denn er fühlte sich nicht arm, ganz im Gegenteil, strotzend vor Kraft und
Stärke, doch er verfolgte ihren Blick. Schon wollte er antworten, dass alles in
Ordnung sei, doch er verkniff es sich, denn vielleicht ließe sich diese
Anteilnahme in Nutzen für ihn wandeln. Am Anfang der Geschichte des Mann es
stand der Betrug.
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