Getane und unterlassene
Sünden (2)
Es war eine Nacht, die wohl nicht mehr viel versprach. Hatte er
gerade gesagt, dass die Männer sich darüber beschweren, dass ich sie ignoriere,
ja diskreditiere? Endlich sah ich ihn mir genauer an, in seinem grauen Anzug
und den ledernen Schuhen während meine Füße sacht im Wasser plantschten. Da
sprangen ein paar übermütige Tropfen auf seine Schuhe.
„Ist das Krokodilleder? Die sehen so bissig aus“, fragte ich,
während er eifrig an seinen Schuhen rieb, das sie trocken würden.
„Können Sie nicht aufpassen? Ja, Krokodil. Die haben ein Vermögen
gekostet!“, rief er aus.
„Selber schuld. Warum kaufst Du Dir auch Schuhe, die ein Vermögen
kosten“, sagte ich schulterzuckend.
„Weil es nun mal notwendig ist. Schließlich habe ich was
darzustellen. Herrgott, wenn sie mich nicht so gut bezahlen würden, ich wäre
schon längst auf und davon“, sagte er erbost.
„Was hast Du denn darzustellen? Im Augenblick stellst Du jemanden
dar, der sich um die Gesundheit seiner Schuhe so viele Sorgen macht, als wären
sie ein totkrankes Kind. Aber ich verstehe schon, Du brauchst das Geld um die
Damen zu bezahlen, die mit Dir schlafen“, merkte ich lapidar an.
„Entschuldigung, ich habe es nicht nötig Damen zu bezahlen. Das
sind ja keine Nutten“, erwiderte er erbost.
„Habe ich auch nicht gesagt, aber wer einen teuren Anzug trägt und
Schuhe die bissig aussehen und was darstellt, der verkehrt mit Damen, die gut
ausgeführt werden wollen, womöglich noch ins Theater oder in die Oper. So ein
kleines Präsent ist natürlich auch nie verkehrt, und das alles musst Du investieren“,
erklärte ich geduldig.
„Aber alle mögen Geld, weil man es braucht. Sie müssen doch auch
von irgendetwas leben“, merkte er an.
„Aber deshalb muss ich es nicht mögen. Schau ich will es Dir
erklären. Ich benutze Clopapier, weil es praktisch ist und ich mich daran
gewöhnt habe. Aber muss ich es deshalb mögen? Nein, das Geld bringt nur Unruhe
in die Welt, und nicht das Geld an sich, sondern der Stellenwert dem Du ihm
gibst. Es erfüllt seinen Zweck, aber Du siehst es nicht als
Gebrauchsgegenstand, sondern Du magst es. Du glaubst, dass Du Dir damit was
kaufen kannst“, merkte ich an.
„Und das kann ich auch. Der Urlaub, das Haus, das Auto, die
Anzüge, die Vergnügen, ja, das kann ich mir alles kaufen“, meinte er
schwärmerisch.
„Kannst Du Dir den Freude und Glück und Freunde und Liebe und Zeit
auch kaufen?“, fragte ich gespannt.
„Natürlich nicht. Aber die habe ich doch sowieso, wenn die
finanzielle Grundlage passt“, entgegnete er entsprechend, weil er es nicht
besser verstand.
„Und den Besitz musst Du verwalten und erhalten. Du musst viel
arbeiten, damit Du genug Geld hast Dir das zu kaufen, und wenn Du es hast, dann
musst Du noch mehr arbeiten, damit Du den Besitz erhältst, und wenn Du das
tust, hast Du keine Zeit für Freunde und Freude und Glück und Liebe, die Du Dir
nicht kaufen kannst. Du wirst zum Sklaven dessen, was Du kaufst, und deshalb
magst Du angeblich das Geld, weil Du davon abhängig bist, wie ein
Heroinsüchtiger von der nächsten Spritze. Immerzu kreist es durch Deine
Gedanken, verursacht Dir schlaflose Nächte, beschert Dir ein Magengeschwür und
kaputte Beziehungen, und musst hier sein obwohl Du es gar nicht willst“, führte
ich aus.
„Deshalb ist es notwendig, dass Sie das hier unterschreiben, und
ich werde sofort gehen“, versuchte er die Kurve zu kratzen.
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