Dia.log (10): Wortlosigkeit
Und Gott, der aus dem In-Sich-ruhen in der Ewigkeit als
Wort aus sich herausgetreten war um Schöpfung zu sein, der das Wort selbst
Fleisch werden ließ, nahm es auf sich, selbst Wort seiend, in die Wortlosigkeit
verstoßen zu werden. „Ans Kreuz mit Ihm!“, riefen sie, „Wir wollen Ihn nicht
mehr unter uns dulden. Das soll eine Lehre sein, all denjenigen, die meinen,
sie könnten uns als erst großartige Versprechungen machen, und dann tun sie
nichts. Wir haben Ihm geglaubt, Ihm vertraut, aber Er hat uns verraten. Aus
unseren Augen mit Ihm und dem Tod überantworten. Der wird schon wissen wie Er
mit ihm zu verfahren hat.“ „Aber nein, so ein normaler, einfacher, schneller
Tod, das ist nicht Sühne genug für diesen!“, riefen die Anderen, „Er soll Ihn
erleiden, diesen Tod, soll leiden wie Er uns leiden ließ mit seinen unsäglichen
Versprechungen, die Er nicht einhielt. Er soll qualvoll sterben, den Tod wie
einen Erlöser herbeisehen!“ Und so geschah es. Durchbohrt an Händen und Füßen,
durchbohrt seine Seite und die Wunde mit Essig gereinigt, mit Dornen gekrönt,
hielt Er stand, noch im Sterben jenen verzeihend, die Ihm Seine vermeintliche
Irreführung nicht verzeihen konnten, die nur das Sühneopfer kannten. Gottes
Knecht. Immanuel. Messias. Erlöser. Was musstest Du leiden und hieltest still?
Was ließest Du nicht alles über Dich ergehen, nicht um Deinetwillen, sondern um
willen derer, die das Wort nicht verstehen, nicht angenommen hatten? Doch nicht
das Sterben, nicht das langsame Dahinsiechen, nicht Spott und Hohn waren die
eigentlichen Qualen, die Er zu leiden hatte, der der Gott selbst war, das Wort
des Lebens, das Wort der Liebe. Denn das Wort stirbt nicht den leiblichen Tod
allein, sondern den Tod der Dia.log-Losigkeit. Fleisch fällt ab und das Wort
wird negiert, wird verbannt aus dem Fluss der Worte, den es selbst bildete. In
Seinem Tod, der Ihn verbannte aus der ewigen Zugewandtheit dessen, der das Wort
schuf und das Wort war, verloren in der finstersten, einsamsten
Blick-losigkeit, verloren noch der Verlorenheit, einsam ohne Anrede, noch
einsamer als alle Einsamkeit, verloren selbst der Einsamkeit, verloren selbst
der düstersten Qual, verloren selbst der Qual . Entmächtigt des Seins,
verstoßen aus dem allumfassenden Sein in das absolute Nichts. Weit über unsere
Vorstellung hinausgehend, weil es nichts mehr gibt was vorzustellen wäre,
jenseits des Seins und des Worte und des Nichts und der Sprachlosigkeit.
Verloren in seiner absoluten Negation, als Negation der Negation, doch noch
immer zu viel dialektisches Aufgeladen-sein. Nichts. Und selbst das Wort Nichts
ist noch zu viel, zu kräftig für das Nichts, das das Nichts ist, das nicht mehr
sprechbar ist. Dorthin, in das Nichts jenseits des Nichts, außerhalb allen
Begreifens, weil es zu schmerzhaft, zu vernichtend ist für unseren Verstand,
als dass wir auch nur eine Ahnung davon verkraften würden ohne dem Wahn
anheimzufallen, dorthin war es gestorben, das Wort, das inkarnierte Wort. Und
die Dunkelheit legte sich über das Sein. Der Schmerz der Schöpfung ließ alles
in Finsternis fallen. Gott ist tot – wir haben ihn gemordet. Der Logos ist tot
– wir haben ihn verstoßen in den Tod des Todes. Und die Schöpfung weinte, und
mit ihr all jene, die sich berühren ließen durch die Berührung selbst, die sich
ansprechen ließen, durch das Wort selbst, und die mit Ihm hinabstiegen in die
Absolutheit. Und das Wort war verloren. Es gibt keine Schuld mehr und keinen
Tod mehr und keine Einsamkeit mehr und keine Verlorenheit mehr und keine Qual
mehr, denn Er hat sie auf sich vereint. Niemals geschah Erlösung, weil Erlösung
nicht möglich ist, nicht von außen. Niemals geschah was Rettung genannt werden
könnte. Und die Blindheit und die Taubheit und die Verschlossenheit blieben.
Und die Verstoßenheit in das nicht mehr nennbare Nichts kann nicht mehr
aufgehoben werden.
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