1204 Alles Leben ist Wirtschaft? (3)


Luft


Das mit dem Wasser hätten wir ja nun geklärt. Trinkt Limonade, so lange ihr kein Haustier seid. Blöd ist diese Position nur, wenn in Betracht gezogen wird, dass der kenianische Bauer auch Vieh hat, das getränkt werden sollte. Aber erstens gibt es immer auch Verlierer. Wo würde das Land denn bitte stehen, wenn da nicht ein internationaler Konzern käme und sein Geld großzügig einbringt, was sich dann Investitionen titelt. Da werden riesige Plantagen angelegt, auf denen nichts wächst als Rosen, durchaus in Kenia endemische Gewächse. Natürlich investieren große Firmen völlig uneigennützig und aus rein sozialem Interesse in diesen Ländern. Das hat sicherlich nichts mit dem niedrigen Lohnniveau oder den nicht vorhandenen Sozialleistungen zu tun. Hat ein hiesiger Arbeiter ein Monat Kündigungsfrist und einer in Kenia gar keine, so spielt das bei den Überlegungen sicherlich keine Rolle. Das wird ihnen immer nur unterstellt. Dabei wollen sie doch nichts weiter, als mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln die Menschen in diesen armen Ländern befördern. All diese Tugenden hängen sie nicht an die große Glocke, selbst dann nicht, wenn sie erleben müssen, dass ständig auf ihnen herumgetrampelt wird. Und wenn nun die Menschen in Europa das Bedürfnis haben Rosen im Winter zu kaufen, so muss man sie ihnen zugänglich machen. Und wenn dann nach einer gewissen Zeit diese Rosenplantagen in ein anderes Land verlegt werden, so hat das sicherlich nichts damit zu tun, dass dort das Lohnniveau niedriger ist, denn darüber waren wir doch selbst überrascht. Nein, weil der soziale Auftrag, den wir an die Gesellschaft haben, meinte natürlich, von der Gesellschaft haben, uns dazu zwingt immer mehr Länder mit dem Segen des Kapitalismus zu überhäufen.

Diese Rosen verschlingen also einen großen Teil des Wassers, das in Kenia ohnedies schon knapp ist und führt dazu, dass der Grundwasserspiegel kontinuierlich sinkt (sollte das Wasser einmal ausgehen, so sind wir doch gerne bereit die Kenianer bei uns aufzunehmen und unser Wasser mit ihnen zu teilen). Nun liegt es allerdings in der Natur der Rose, dass sie Blüten treibt, die aufblühen und wieder verblühen, und das innerhalb weniger Tage. Um nun die Rose in einem entsprechenden Zustand an den Konsumenten liefern zu können, der tausende Kilometer weit weg wohnt, ist es deshalb notwendig diese so rasch wie möglich zu transportieren. Die einzige Möglichkeit diese lange Strecke in der entsprechenden Zeit zu überwinden heißt Flugtransport. D.h. zusätzlich zu dem enormen Verbrauch an Wasser, tritt auch ein ebensolcher an thermischer Energie. Die Luft wird angereichert mit Schadstoffen, von denen wir natürlich alle was haben. So gesehen ist die Umweltbelastung durch die Abgase von Flugzeugen zutiefst demokratisch. Wir haben alle was davon. Was uns allerdings auch darauf aufmerksam machen sollte, dass  es uns über kurz oder lang alle was angeht, wenn die Luft verpestet oder Wasser verschwendet wird, selbst wenn es in Kenia ist, aber so lange es keine direkten Auswirkungen auf unser Wohlbefinden hat, können wir großmütig darüber hinwegsehen und uns ungestört an Rosen mitten im Winter erfreuen.

Die Mittel der zur Befriedigung der Existenzbedürfnisse werden beschrieben als frei zugänglich und für alle verfügbar. Insofern werden wohl die Lehrbücher der Ökonomie bald umgeschrieben werden müssen, doch auch nicht allzu bald, so lange die Ökonomie immer von ihrem engen Blickwinkel der ersten Welt ausgeht. In der dritten Welt hat man weniger Zeit dafür. Da ist man mit so banalen Sachen beschäftigt wie zu verhindern, dass man verhungert oder verdurstet. Aber was kümmert das, so lange die armen Rosen genug Wasser bekommen um für uns zu blühen.

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