Das Rendevouz
Es war ein kurzer Anruf, in dem er ihr mitteilte, dass er
an diesem Abend keine Zeit hätte, denn er sei verabredet, jedoch nicht mit
Freunden, sondern mit einer Frau, die er kennengelernt hatte und mit der er nun
essen gehen wollte. Sie war einverstanden, denn es traf sich sehr gut, hatte
sie doch ihrerseits eine Einladung von einem Mann, der sie an diesem Tag
angesprochen hatte. So hatten beide ihr erstes Rendezvous außerhalb ihrer
Beziehung. Es war ein gehobeneres Restaurant, in das er sie ausführen wollte,
so dass sie sich entsprechend herrichtete.
„Bezaubernd siehst Du aus“, sagte er, als er sie an
diesem Abend pünktlich am Eingang des Restaurants traf.
„Du bist aber auch sehr elegant“, entgegnete sie, und
meinte es ernst. Er hatte sich für sie in Schale geworfen. Sie spürte wie sehr
er sie beeindrucken wollte. Doch sie war mit den Gedanken nicht wirklich bei
der Sache. Immer wieder schoss ihr der Gedanke durch den Kopf was ihr Freund
wohl mit dieser anderen Frau machen würde. Ob er auch so geistreich, witzig und
charmant sein würde wie bei ihr? Ob sie zu ihm oder zu ihr nach Hause gingen?
„Wollen wir bestellen?“, hörte sie plötzlich eine
unbekannte Stimme, die sie in die Wirklichkeit zurückholte.
„Oh ja, natürlich“, beeilte sie sich zu antworten und
zwang sich bei der Sache zu bleiben. Ihr Begleiter war eloquent, seine
Erzählungen interessant und seine Gedanken zeugten von Tiefe. Es war alles
richtig. Alle vier Beteiligten wussten Bescheid. Niemand wurde hinters Licht
geführt. Warum fühlte es sich doch nicht richtig an?
„Hast Du Lust tanzen zu gehen?“, fragte er, als sie nach
dem Essen wieder auf der Straße standen. Natürlich wollte sie, denn sie tanzte
für ihr Leben gerne. So führte er sie in ein kleines Tanzlokal im Vintage-Stil,
in dem es noch richtige Musik spielte, jedoch in einer Lautstärke, dass es
möglich war sich zu unterhalten ohne sich niederbrüllen zu müssen. Es machte
ihr großen Spaß, und dennoch, es fühlte sich nicht richtig an. Immer wieder
führte er sie auf die Tanzfläche, und sie goutierte seine Nachhaltigkeit. Gegen
Mitternacht spielte es den ersten Kuschelsong, und als er sie zu sich zog, da
konnte sie nicht mehr.
„Es tut mir leid, aber ich möchte jetzt gehen“, sagte sie
unvermittelt.
„Ich weiß“, entgegnete er ebenso.
„Du weißt?“, fragte sie irritiert.
„Ja, denn genau das habe ich mit meiner letzten Freundin
auch probiert, aber ich konnte es nicht. Nenn es verzopft oder altmodisch, aber
auch wenn alle Beteiligten Bescheid wussten, ich fühlte mich nicht wohl dabei.
Und darum geht es doch eigentlich, sich selbst wohl zu fühlen. Wenn dem nicht
so ist, dann stimmt irgendetwas nicht“, erklärte er.
„Und jetzt fühle ich mich noch schäbiger, denn eigentlich
habe ich es auch die ganze Zeit gewusst. Ich habe Dich zum Narren gehalten“,
sagte sie beschämt.
„Ja, das hast Du, aber mehr noch Dich als mich. Aber
Bestrafung muss sein“, meinte er lächelnd.
„Das stimmt. Wie sieht diese aus?“, fragte sie
bereitwillig.
„Es wäre schön, wenn wir die Möglichkeit hätten Freunde
zu werden“, antwortete er.
„Sehr gerne. Du bist ein großartiger Mensch“, erklärte
sie erfreut.
„Und jetzt willst Du nach Hause, nehme ich an“, meinte
er.
„Ja, das möchte ich, ein wenig allein sein“, erklärte sie
schüchtern.
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