Der Übersetzer (Teil 3)
„Alles, alles falsch! Sie muss das ändern“, reklamierte er immer
und immer wieder. Er kannte ihr Werk so gut, und er bewunderte ihre Stringenz,
diese Einzigartigkeit im sich Fügen und Aneinanderschmiegen von Worten und
Bedeutungen, doch das, das hatte sie falsch gemacht, völlig falsch, schließlich
wusste er, wann sie welche Worte zu benutzen hatte, wo ein Beistrich zu setzen,
ja wo eine Atempause zu machen war. Und jetzt das? Das konnte er nicht
hinnehmen. Das war nicht mehr sie, nicht mehr die Worte, die aus ihrer Feder zu
kommen hatten, nicht mehr richtig. Alles, alles falsch! Doch was konnte er tun,
sie war vom Weg abgekommen, hatte sich verraten. Nein, nicht sich, sie hatte
ihre Literatur verraten, und damit ihn. Er musste handeln, musste dieses
Unrecht wieder gut machen. Doch wie? Er konnte sie nicht anrufen, denn der
Anschluss war tot, warum auch immer. Wie konnte sie nur? Wie konnte sie ihn nur
so hintergehen, ihn und seine Hingabe. Seine Liebe zu diesem Werk, sie war so
rein und kristallklar wie ein Bergsee in der Morgensonne, doch sie hatte ihr
Gift darein gegeben, hatte die Worte vergiftet, verdreht, verunstaltet und
diskreditiert. Sie musste das wieder gut machen. Musste, musste, musste
einfach, doch wie sollte er es angehen? Es konnte nur einen Weg geben. Er musst
zu ihr fahren, musste sie dazu bringen das alles richtig zu stellen.
„Mein Gott, wie siehst Du denn aus?“, sagte Nana, von ehrlichem
Entsetzen gepackt, als er eine halbe Stunde später in ihrer Türe stand, denn
Fritz Freundlich, der nun nicht mehr freundlich war, bot einen grauenhaften
Anblick, unrasiert und stinkend. „Du musst das richtig machen!“, sagte er nur,
während er in die Wohnung drängte. „Was richtig machen?“, fragte sie erstaunt.
„Das mit dem Roman. Das ist alles total falsch“, wiederholte er, das, was er
schon die ganze Zeit in sich hinein sagte. „Das ist schon richtig so, es ist
alles goldrichtig. Ich bin dabei mich zu entfalten und einen neuen Stil zu
entwickeln. Ich will wachsen und mich erweitern. Ich bin auf einem guten Weg,
denn Du hast es bemerkt“, entgegnete Nana lächelnd, doch er sah sie an, mit
dieser Starrheit im Blick, die sie noch nie an ihm wahrgenommen hatte. „Nein,
Du kannst nicht Deinen Stil ändern. Das darfst Du nicht, denn dann ist es nicht
mehr richtig. Du hast mich in die Falle gelockt, mit den Worten, die in mir
eine Melodie erwachen lassen, mich zum Klingen bringen, das muss so bleiben.
Das ist alles falsch“, beharrte er. „Und was stellst Du Dir vor, dass ich für
Dich jetzt alles umschreibe?“, fragte sie, und jeder andere hätte den zynischen
Unterton nicht überhört, jeder andere, nur Fritz tat es. „Ja, umschreiben, neu
schreiben, das ist es, Du musst alle Fehler ausbessern, es neu schreiben“,
brabbelte er vor sich hin, „Du musst es tun. Es muss richtig sein!“ „Das werde
ich nicht tun, denn es ist mein Roman, und den schreibe ich so wie ich es für
richtig halte“, entgegnete sie, „Und Du wirst jetzt meine Wohnung verlassen.“
Doch anstatt ihrer Aufforderung nachzukommen, fesselte er sie und legte sie auf
die Couch. Der Knebel hinderte sie daran zu schreien oder sich sonst wie
bemerkbar zu machen. „Wenn Du es nicht tust, dann tue ich es“, meinte er. Damit
setzte er sich an ihren Schreibtisch und schrieb den Roman neu, von Anfang bis
Ende, und als er fertig war, schickte er diesen zum Verlag und ein Exemplar
nahm er mit um es zu übersetzen. „Jetzt ist es richtig“, flüsterte Fritz Nana
ins Ohr bevor er ging, doch sie hörte es nicht mehr. Irgendwann während der
letzten Tage, die sie gefesselt und geknebelt auf ihrer eigenen Couch lag, war
sie erstickt. Es tat nichts zur Sache, denn jetzt hatte er es wieder richtig
gestellt. „Jetzt ist es richtig, ganz richtig“, murmelte er immer wieder vor
sich hin, und freute sich ihrer Worte, die etwas in ihm zum Klingen brachten.
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