0207 Adele feiert Begräbnis (Teil 2)


Eine untote Leiche


Adele hatte also eine Lösung für ihr Problem gefunden, und auch einen Plan diese in die Tat umzusetzen. „Reinhard“, sagte sie, als sie gleich darauf ihren Mann anrief, „Ich weiß nun endlich was Du mir zum Geburtstag schenken darfst.“ „Und was darf es sein? Ein neues Auto, ein Ausflug noch Paris ...“, begann Reinhard gelangweilt. „Nichts von all dem Schnick-Schnack, das ist doch alles schon so gängig. Nein, Du weißt ja, es ist mein fünfzigster Geburtstag, leider Gottes“, und sie unterließ es nicht, ausgiebig zu seufzen, damit ihm die Tragweite dieser, von ihr fast geflüsterten, Aussage auch recht bewusst wurde, zusätzlich durch eine theatralische Sprechpause unterstreichend, „Und es sollte etwas ganz Besonderes sein. Ich möchte mein Begräbnis feiern.“ „Bitte, was möchtest Du“, tönte Reinhard lauthals, weil er erst meinte sich verhört zu haben, aber Adele war zufrieden, denn nun war sie sich seiner vollen Aufmerksamkeit gewiss, doch nicht lange, denn er war eigentlich müde, deshalb begnügte er sich damit hinzuzusetzen, „Nimm die Kreditkarte. Du kennst ja den Code.“ „Danke, Liebster“, entgegnete sie heiter, um sogleich ans Werk zu gehen, denn es gab ja ach so viel zu tun, und so wenig Zeit. Die Einladungen gehörten geschrieben und verschickt, das Institut gewählt, das sich um die Beerdigung kümmerte, ein Lokal beauftragt für den Leichenschmaus hinterher, und tausend andere Dinge, doch das Wichtigste war der Besuch bei ihrem Lieblingsgeschäft. „Ich würde gerne die Beerdigungskleider sehen“, sagte sie dem schwulen Verkäufer, der sie allerdings nur mit großen Augen ansah. „Was bitte sind Beerdigungskleider?“, fragte er verdutzt, als hätte er noch nie etwas davon gehört. „Wie kann man sich nur so dumm stellen?“, entgegnete Adele kopfschüttelnd, „Wenn eine Frau heiratet, was trägt sie dann?“ „Ein Hochzeitskleid, ja, die haben wir“, antwortete der Verkäufer, sichtlich erleichtert. „Aber ich bin schon verheiratet und habe nicht vor es nochmals zu tun“, winkte Adele ab, „Die nächste Frage: Was trägt eine Frau bei ihrer Beerdigung?“ Nun war der Verkäufer wieder sehr still. „Na, ein Beerdigungkleid natürlich. Was denn sonst?“, ergänzte Adele, weil sie keine Lust hatte abzuwarten bis der junge Mann endlich fertig gedacht haben würde. „Das klingt logisch“, meinte dieser schließlich. „Ja, aben, deshalb will ich jetzt die Beerdigungskleider sehen“, beharrte Adele auf ihrem Wunsch. Und so zeigte ihr der Verkäufer einfach alle schwarzen Kleider, die er anzubieten hatte, und Adele fand tatsächlich ein passendes, dem Anlass angemessenes. Und bereits wenige Wochen später lag sie, angetan mit ihrem Beerdigungskleid in dem ungebrauchten Sarg in der Kapelle aufgebahrt. Über ihrem Sarg war ein Spiegel angebracht. Darauf hatte sie bestanden, denn schließlich wollte sie genau sehen wie sie auf die Gäste der Beerdigung wirkte. „Aber Sie dürfen doch nicht die Augen aufmachen, denn dann sehen Sie ja nicht tot aus“, erklärte der nette Herr vom Bestattungsinstitut. Adele überdachte es, und meinte für sich, dass sie nur dann ganz vorsichtig schauen würde, wenn es kein anderer tat oder sie gerade nicht fotografiert wurde. Alle waren sie da, und Adele musste, zugeben, sie spielten ihre Rollen ausgezeichnet, allen voran der trauernde Ehemann, dann die engen Freunde und vor allem die engen Feinde, und nicht zuletzt die Presse. Adele war selig, denn eines war gewiss, sie war die schönste untote Leiche, die je in dieser Kapelle aufgebahrt worden war. Was sie störte war das eingeschränkte Blickfeld, aber es war ihr versprochen worden, dass alles gefilmt wurde.  Die Andacht war kurz, aber herzerweichend. Wenn Adele nicht auf ihr Make-up achten hätten müssen und natürlich auf ihr Tod-sein, sie hätte doch wohl die eine oder andere Träne herausgedrückt. Schließlich wurde der Deckel geschlossen und die Träger brachten sie zum geöffneten Grab. „Muss das auch sein?“, hatte Adele Reinhard bei der Besprechung der Zeremonie gefragt. „Natürlich“, antwortete dieser ruhig, „Schließlich soll es doch ein richtiges Begräbnis sein.“ Ja, und das wurde es. Adele spürte wie der Sarg langsam in die Erde gelassen wurde. Verbissen tastete sie nach ihrer Tasche. Wie hatte sie nur darauf vergessen können, dass sie ja unter Klaustrophobie litt.

Keine Kommentare: