Eine untote Leiche
Adele hatte also eine Lösung für ihr
Problem gefunden, und auch einen Plan diese in die Tat umzusetzen. „Reinhard“,
sagte sie, als sie gleich darauf ihren Mann anrief, „Ich weiß nun endlich was
Du mir zum Geburtstag schenken darfst.“ „Und was darf es sein? Ein neues Auto,
ein Ausflug noch Paris ...“, begann Reinhard gelangweilt. „Nichts von all dem
Schnick-Schnack, das ist doch alles schon so gängig. Nein, Du weißt ja, es ist
mein fünfzigster Geburtstag, leider Gottes“, und sie unterließ es nicht,
ausgiebig zu seufzen, damit ihm die Tragweite dieser, von ihr fast geflüsterten,
Aussage auch recht bewusst wurde, zusätzlich durch eine theatralische
Sprechpause unterstreichend, „Und es sollte etwas ganz Besonderes sein. Ich
möchte mein Begräbnis feiern.“ „Bitte, was möchtest Du“, tönte Reinhard
lauthals, weil er erst meinte sich verhört zu haben, aber Adele war zufrieden,
denn nun war sie sich seiner vollen Aufmerksamkeit gewiss, doch nicht lange,
denn er war eigentlich müde, deshalb begnügte er sich damit hinzuzusetzen,
„Nimm die Kreditkarte. Du kennst ja den Code.“ „Danke, Liebster“, entgegnete
sie heiter, um sogleich ans Werk zu gehen, denn es gab ja ach so viel zu tun,
und so wenig Zeit. Die Einladungen gehörten geschrieben und verschickt, das
Institut gewählt, das sich um die Beerdigung kümmerte, ein Lokal beauftragt für
den Leichenschmaus hinterher, und tausend andere Dinge, doch das Wichtigste war
der Besuch bei ihrem Lieblingsgeschäft. „Ich würde gerne die Beerdigungskleider
sehen“, sagte sie dem schwulen Verkäufer, der sie allerdings nur mit großen
Augen ansah. „Was bitte sind Beerdigungskleider?“, fragte er verdutzt, als
hätte er noch nie etwas davon gehört. „Wie kann man sich nur so dumm stellen?“,
entgegnete Adele kopfschüttelnd, „Wenn eine Frau heiratet, was trägt sie dann?“
„Ein Hochzeitskleid, ja, die haben wir“, antwortete der Verkäufer, sichtlich
erleichtert. „Aber ich bin schon verheiratet und habe nicht vor es nochmals zu
tun“, winkte Adele ab, „Die nächste Frage: Was trägt eine Frau bei ihrer
Beerdigung?“ Nun war der Verkäufer wieder sehr still. „Na, ein Beerdigungkleid
natürlich. Was denn sonst?“, ergänzte Adele, weil sie keine Lust hatte
abzuwarten bis der junge Mann endlich fertig gedacht haben würde. „Das klingt
logisch“, meinte dieser schließlich. „Ja, aben, deshalb will ich jetzt die
Beerdigungskleider sehen“, beharrte Adele auf ihrem Wunsch. Und so zeigte ihr
der Verkäufer einfach alle schwarzen Kleider, die er anzubieten hatte, und
Adele fand tatsächlich ein passendes, dem Anlass angemessenes. Und bereits
wenige Wochen später lag sie, angetan mit ihrem Beerdigungskleid in dem
ungebrauchten Sarg in der Kapelle aufgebahrt. Über ihrem Sarg war ein Spiegel
angebracht. Darauf hatte sie bestanden, denn schließlich wollte sie genau sehen
wie sie auf die Gäste der Beerdigung wirkte. „Aber Sie dürfen doch nicht die Augen
aufmachen, denn dann sehen Sie ja nicht tot aus“, erklärte der nette Herr vom
Bestattungsinstitut. Adele überdachte es, und meinte für sich, dass sie nur
dann ganz vorsichtig schauen würde, wenn es kein anderer tat oder sie gerade
nicht fotografiert wurde. Alle waren sie da, und Adele musste, zugeben, sie
spielten ihre Rollen ausgezeichnet, allen voran der trauernde Ehemann, dann die
engen Freunde und vor allem die engen Feinde, und nicht zuletzt die Presse.
Adele war selig, denn eines war gewiss, sie war die schönste untote Leiche, die
je in dieser Kapelle aufgebahrt worden war. Was sie störte war das
eingeschränkte Blickfeld, aber es war ihr versprochen worden, dass alles
gefilmt wurde. Die Andacht war kurz,
aber herzerweichend. Wenn Adele nicht auf ihr Make-up achten hätten müssen und
natürlich auf ihr Tod-sein, sie hätte doch wohl die eine oder andere Träne
herausgedrückt. Schließlich wurde der Deckel geschlossen und die Träger
brachten sie zum geöffneten Grab. „Muss das auch sein?“, hatte Adele Reinhard
bei der Besprechung der Zeremonie gefragt. „Natürlich“, antwortete dieser
ruhig, „Schließlich soll es doch ein richtiges Begräbnis sein.“ Ja, und das
wurde es. Adele spürte wie der Sarg langsam in die Erde gelassen wurde.
Verbissen tastete sie nach ihrer Tasche. Wie hatte sie nur darauf vergessen
können, dass sie ja unter Klaustrophobie litt.
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