0507 Stürmische Zeiten. Sichere Hand[1]


Stürmische Zeiten. Sichere Hand[1]



„Ja, ich kann Dir das nur bestätigen, immer wieder bestätigen, es sind stürmische Zeiten. Jetzt habe ich meinen 67er Chardonnay entlüftet, oder wie sagt man ...“, unterbricht Werner sich überlegend. „Dekantiert, heißt man das, Werner[1]“, hilft Michael[2] ihm aus. „Wahrhaft, stürmische Zeiten, hab ich doch den 67er Chardonnay gerade für solch einen Abend aufgehoben, und dann korkt der, einfach, Patsch, Kork drin, aber mit sicherer Hand lenke ich das Schiff, wahrhaft stürmische Zeiten, und meine Hand, die sichere, wie Du weißt, die steuerte den Grünen Veltliner an, jung, spritzig, fruchtig, mit einem einschmeichelnden Abgang“, merkt Werner an, und gießt seinem Gegenüber ein. „Wir müssen uns auch dessen bewusst sein, dass wir im Sinne der österreichischen Bauern zu agieren haben, jawohl, die mit eigener Hand die heimische Scholle bewirtschaften, nicht so wie die Franzmänner. Chardonnay, das kann man doch nicht einmal aussprechen. Alles ein Gschloder[3] gegen unseren, heimischen Grünen Veltliner“, merkt Michael an, „Und ja, jung, spritzig, fruchtig, so wie wir.“ „Jung, spritzig, fruchtig, so sind wir, deshalb ist die Hand auch sicher, die den Staatskahn durch stürmische Zeiten steuert“, bestätigt Werner. „Aber, aber, jung, aus Deinem Munde, das ist doch etwas, sagen wir mal, mit Vorsicht zu genießen“, gibt Michael zu bedenken, „Schließlich bist Du der Altige[4].“ „Und ein Jahr jünger als Du, vergiss das nicht“, wendet Werner ein. „Aber auf den Plakaten, da sagen immer alle, ich schaue jünger aus als Du. Vielleicht solltest Dir doch mal die grauen retuschieren lassen“, schlägt Michael vor, „Und altig bist Du, seit 2008 im Amt, komm, lass uns einmal ein bisserl tauschen, ich mag da auch einmal sitzen, im Bundeskanzleramt.“ „Magst gerne vom Minoritenplatz[5] auf den Ballhausplatz[6] ... Aber dabei ist doch dort auch sehr nett, und so außen tätig zu sein, da kommst net so oft in die Schlagzeile, weil die Krone Leser so wenig ausländisch verstehen“, gibt Werner zu bedenken. „Na, dann schaust Dir nächste Legislaturperiode mal die Aussicht vom Minoritenplatz an und ich mir vom Ballhausplatz“, bleibt Michael bei seinem Vorschlag. „Was da wohl die Genossen dazu sagen“, sagt Werner kopfschüttelnd. „Was werden sie sagen? Sie haben ihre Schäfchen im Trockenen und die Kinder im Lycee, und wer pfeift sich um die anderen? Ist ja eh erst nach der Wahl und dem Handshake mit den Proleten“, wendet Michael ein. „Nichts gegen unseren Unterbau, feine Leute, all die Mundls[7], brave, anständige Leute, die den Grünen Veltliner trinken oder auch mal einen Zierfandler, alles brave Leute, die das Werk der sicheren Hände der braven Bauern zu würdigen wissen“, merkt Werner an, mit beinahe melancholischer Stimme. „Dich haben sie aber schon gut hingekriegt. Ja, das wirkt, das kommt sicher gut, aber die Bauern, die lässt schön uns, auch die Weinbauern. Letztendlich machen wir eh wieder einen Gmischten Satz[8] draus“, lenkt nun Michael ein. „Recht gesprochen, lieber Michael, recht gesprochen. Wir machen uns das schon aus. Die Wähler wissen was sie zu tun haben, nämlich Vertrauen zu setzen in meine sichere Hand in diesen stürmischen Zeiten. Wir behalten die Arbeiter und ihr die Bauern, zu uns die Arbeiter und zu euch die Beamten, so wie es immer schon war, und so wie es immer sein wird“, ergänzt Werner und stößt mit dem Kollegen an. „Recht gesprochen, und der Grüne Veltliner, wirklich, jung, spritzig, fruchtig. Gut, dass sie den nicht immer in die alten Schläuche füllen. Beim Wein wäre es ja echt schade darum“, sagt Michael, und der Blick geht versonnen über die abendliche Landschaft. Denn trotz allem, Österreich ist ja doch ein schönes Land.



[1] Werner Feymann, österreichischer Bundekanzler, Spitzenkandidat der Sozialistischen Partei Österreichs
[2] Michael Spindelegger, österreichischer Außenminister, Spitzenkandidat der Österreichischen Volkspartei
[3] Schlechtes Getränk
[4] Wortkreation von Michael Spindelegger aus seiner Wahlkampfauftaktrede vom 02. Juli 2013
[5] Sitz des Außenministeriums in Wien
[6] Sitz des Bundeskanzleramtes in Wien
[7] Edmund Sackbauer, das Paradebeispiel des Wiener Proleten aus der Fernsehserie „Ein echter Wiener geht nicht unter“
[8] Cuvée


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