„Im Ich-Sagen,“, antwortete er, „im
ersten – im Ergreifen des Apfels, dort wo wir unsere Wurzeln aus dem lösten, wo
aus dem wir lebten, uns abnabelten von unserem Ursprung. Vor dem war reines,
lauteres, liebendes Du-Sagen – dann mußten wir es neu lernen, in jedem Moment
neu, uns im Gedächtnis rufen und damit dem Vergessen entziehen, was wir zuvor
nicht nur dachten und bedachten, sondern waren. Immer mehr haben wir auf unsere
ureigendste Bestimmung vergessen – und immer mehr mußten wir deduzieren, um uns
wieder zu vergegenwärtigen, was wir doch von jeher waren. Liebende und Dich
liebendes Du. Das Vergessen wurde gefaßt – und seitdem wurden Bücher
geschrieben. Mit einem Schlag, mit einem Griff haben wir die Brücke
durchbrochen, abgerisssen – die Brücke von Dir zu mir, von Du zu Du, vom
kleinen, in diesem zugriff so unendlich geist- und herzlosen Menschen – Du zum
großen, trotzdem so unendlich liebenden und leben-schaffenden göttlichen Du. Du
hast den neuen Anfang gesetzt – und nur darum sind wir nicht zugrunde gegangen.
Du hast verziehen, noch bevor wir verstanden darum zu bitten: Du hast belebt,
neu belebt, noch bevor wir recht begriffen – und seitdem werden Bücher
geschrieben, um uns über etwas klar zu werden, was uns erst in Dir klar werden
kann. Hätten wir denn der Bücher bedurft, so lange Du selbst uns belehrtest?
Was sollten wir mit aller noch so großen menschlichen Weisheit, da wir Deine
Weisheit zur Kameradin hatten? Wozu hätten wir die Wahrheiten suchen müssen, da
uns Dein Geist selbst darin einführte? Wozu hätten wir die Liebe thematisieren
sollen, wo wir doch in unmittelbarem Umgang mit ihr lebten, sie uns leibhaftig
in Dir und mit Dir vor Augen stand? Dort, wo die Brücke barst, aus der
unmittelbaren eine mittelbare Begegnung wurde – da begannen wir Bücher zu
schreiben. Wohl auch um uns über diese Distanz hinwegzutäuschen zu können, um
uns eine Illusion von Wahrheit, Weisheit und Geist zu errichten, ohne uns je
darüber hinwegtäuschen zu können, daß es nie mehr war als eine selbsterrichtete
Illusion. Dies Getümmel, das Gerede, die Geschäftigkeit, das Verflüchtigen in
die Oberflächlichkeit – Dir können wir nicht entfliehen, Du deckst uns auf und
stürzt unsere Götzen. Im Nahekommen Deiner Herrlichkeit offenbart sich ihre
Nutzlosigkeit, in Deinem Wort ihre Stummheit. Abfall sind sie, geschnitzt aus
Holz, das zu nichts anderem mehr tauglich ist – und die wir Ich-sagend anbeten,
und vor denen wir uns Ich-sagend niederwerfen. Du allein magst uns herausreißen
aus unserer Bücherweisheit. Paradies – heißt unmittelbarer, liebender Umgang
mit Dir – deshalb wurden im Paradies keine Bücher geschrieben.“
Sanft und ruhig schlief sie in seinen
Armen, und den Klang seiner Worte nahm sie mit in den Schlaf. Vielleicht nicht
den Sinn, aber den wohltuenden Klang. Er küßte sie auf die Stirn, und sah sie
lange an, dachte: „Wo Du bist, in Deinem Lächeln, in einem einzigen Kuß, darin
wischt Du alle Weltweisheit mit einem Streich vom Tisch und läßt sie nichtig, sinnlos
und nichtssagend werden. Nur des einen Wortes bedarf es – Du, und Leben
erwächst und bleibt. Keine tote, noch so hehre Bücherweisheit kann sagen was
Leben be-deutet. Wenn Du hier liegst, ruhig schlafend. Dich mir darin
rücksichtslos anvertrauend, dann spricht dies die Unendlichkeit des Lebens,
spricht es die Liebe, ohne auch nur eine einzige Silbe abzunutzen … . Bedächtig
trat er ein in die unendliche Weite, die das Jenseits aller Worte bedeutet, und
die alles faßt, was das Sagen in Versprachlichung nicht mehr vermach, trat ein
ins Wort selbst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen