Die Blattlaus
„Du bist die schönste Rose, die ich je
gesehen habe.“
„Ich bin nichts Besonderes, einfach nur
eine Rose unter vielen anderen.“
„Du bist auch eine von denen, die den
„Kleinen Prinzen“ nicht gelesen haben, aber egal, ich sage, Du bist eine ganz
besondere Rose unter all den anderen. Auch wenn man glaubt, ihr seht alle
gleich aus, nein, Du bist die eine Rose unter all den anderen, die eine ganz
Besondere, auf die ich acht haben werde.“
„Warum gerade ich?“
„Weil ich Dich auserkoren habe. Du hast
mich angesprochen, mich berührt, angerührt, und Du bist meine Rose, die
schönste unter all den anderen, die Besondere, meine Rose.“
„Warum gerade ich?“
„Hast Du das nicht gerade eben schon mal
gefragt? Habe ich es nicht gerade beantwortet?“
„Vielleicht war es die falsche Antwort.“
„Weil ich Dir was Besonderes sein will.
Weil wir einander sind.“
„Darf ich mir das nicht aussuchen. Gut, Du
hast mich für Dich erwählt, aber habe ich eine Möglichkeit Dich zu erwählen,
oder muss ich das erwählt-werden einfach hinnehmen?“
„Ich dachte, dass Du auch mich erwählt
hast, nicht nur ich Dich.“
„Du bist also davon ausgegangen, dass ein
Erwählungsvorgang die Gegenbewegung automatisch evoziert? Nun, dann irrst Du
Dich. Ich habe Dich nicht erwählt.“
„Und wenn wir uns einfach mal kennenlernen.
Vielleicht habe ich dann doch noch die Chance erwählt zu werden.“
„Niemals werde ich Dich erwählen. So lange
kannst Du gar nicht bleiben, so gut kann ich Dich gar nicht kennen, als dass
ich meine Meinung ändern würde.“
„Ich werde das nicht einfach hinnehmen. Ich
werde bei Dir bleiben und Dir eine Chance geben auch mich zu erwählen. Noch ist
nichts entschieden, ich weiß das.“
„Woher willst Du das wissen?“
„Ich weiß es einfach. Aber Du wirst es
schon sehen. Einst wird kommen der Tag, da wirst Du mit mir ebenso glücklich
sein wie ich mit Dir. In der Zwischenzeit werde ich einfach da bleiben und mich
nützlich machen.“
„Wie willst Du Dich nützlich machen?“
„Du meine schönste unter allen Rosen, meine
Auserwählte, ständig wirst Du bedroht, von Insekten, die Dich fressen, und auch
von größeren Tieren. Und Du Arme, Du bist voller Blattläuse, die Dich
aussaugen, die Dir alle Kraft rauben und wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird,
Dich ins Verderben stürzen.“
„Und was willst Du dagegen tun? Du kannst
nichts dagegen tun?“
„Doch ich kann. Ich werde sie allesamt
vertreiben, bis auf die letzte. Ich werde Dich säubern und Deinen schlanken
Leib vor ihren todbringenden Bissen bewahren. Ich werde alles von Dir
fernhalten, was nicht gut für Dich ist, so dass letztlich nur der Regen und die
Sonne Dich anrühren dürfen. Ja, das werde ich.“
„Das wirst Du? Und was noch?“
„Sollte sich ein Schaf auch nur in Deine
Nähe wagen, so werde ich es fortjagen, so dass es weder Blätter noch Blüte
berühren kann.“
„Das wirst Du?“
„Das werde ich.“
„Das tust Du alles für mich.“
„Ja, das tue ich alles für Dich.“
„Dann sieh Dich doch mal an.“
„Ich sehe mich an.“
„Und was erkennst Du?“
„Dass ich jetzt endlich verstehe was Du
meinst. Ich bin eine Blattlaus. Ich werde mich als allererst von mir befreien.“
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