Bloß ein Wort
Es war doch bloß ein Wort.
Es war bloß ein Wort, unbedacht vielleicht.
Es war bloß ein Wort, wie jedes andere, doch wir hatten die
Situation missachtet.
Es war nicht mehr bloß ein Wort, in dieser Situation.
Es war ein Stein, den wir zwischen uns warfen.
Es war ein Stein, aus dem ein Felsen wuchs.
Es wurde ein Felsen, weil wir den Stein nicht wegschieben konnten.
Es wurde ein Felsen, weil wir immer neue Steine darauf häuften.
Es war ein Felsen, aus dem ein Berg wuchs.
Es war ein Berg, weil wir ihm Raum gaben und immer weiter
zurückwichen.
Es war ein Berg, und Schritt für Schritt entfernten wir uns
voneinander, jeder auf seiner Seite des Berges.
Es war ein Berg, so dass wir uns nicht mehr sehen konnten.
Es war ein Berg, ein unüberwindlich scheinendes Zwischen-Uns.
Es war ein Zwischen-Uns, das uns abschnitt voneinander.
Es war ein Zwischen-Uns und wir atmeten trotzdem weiter.
Es war ein Zwischen-Uns und wir wollten uns umdrehen und gehen.
Es war ein Zwischen-Uns, und doch war es nur ein Wort gewesen.
Gerade eben noch waren wir uns so nahe gewesen, und jetzt war die
Kälte und die Abgeschlossenheit und das Getrennt-sein., und doch konnten wir
nicht gehen. Gerade eben hatten wir uns ineinander gewusst, und jetzt war da
nur mehr Ich, Du auf Deiner und ich auf meiner Seite. Eigentlich hätten wir
fallen müssen. Eigentlich hätten wir verloren sein müssen. Aber wir waren es
nicht, denn da war etwas, das uns hielt, nicht nur im Ich, sondern im Wir. Da
war etwas, das größer war als das Wort, größer als der Stein, der Felsen, der
Berg, das Zwischen-Uns, das wir nicht aufhalten konnten. Da war etwas, dass das
Getrennt-sein und das Zwischen-Uns und die Abgeschlossenheit und den Schmerz
nochmals umfasste und uns trug. Da war etwas, das uns wissen ließ, dass das
Zwischen-Uns nicht unauslöschlich war. Da war ein Fundament, das wir uns
errichtet hatten und uns trug.
Und wieder war es bloß ein Wort.
Und wieder war es bloß ein Wort, bedacht gesprochen.
Und wieder war es bloß ein Wort, ganz anders als jedes andere.
Und wieder war es mehr als ein Wort, in diesem Getrennt-sein.
Und wieder war es mehr als ein Wort, das uns zurückbrachte und in
Verbindung treten ließ.
Und wieder war es mehr als ein Wort, leise und süß, und doch so
kraftvoll, das es das Zwischen-Uns hinwegtragen konnte.
Und wieder war es mehr als ein Wort, das uns das Fundament spüren
ließ, aufrichtete und zueinander brachte.
Und wieder war es mehr als ein Wort, das uns uns erkennen ließ.
Und wieder war es mehr als ein Wort, das uns zurückführte zu dem,
was unter dem Zwischen-Uns begraben ward.
Und wieder war es mehr als ein Wort, das uns das Du
wiederschenkte.
Wir werden nicht hindern können, dass wir Steine zwischen uns
streuen, aber wir können hindern, dass aus diesen Steinen ein Zwischen-Uns
erwächst.
Niemals ist es bloß ein Wort.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen