Im Grunde Deines Herzens
Eine stockdunkle Nacht. Der Mond und die Sterne verstecken
sich hinter den Wolken. Ich friere, nicht weil es wirklich kalt ist, sondern,
weil sich alles so unzugänglich anfühlt, und als Du auf mich zukommst, lässt
selbst das mich frieren, dabei ist Dein Auf-mich-Zukommen so wie immer. Oder
doch nicht? Ich bilde mir ein, dass es anders ist, dass Du distanziert bist und
abwesend. Oder bilde ich es mir nicht nur ein?
Ich: Es ist kalt geworden.
Du: Es ist nicht kälter als gestern oder die Nacht davor.
Ich: Und doch friere ich.
Du: Das bildest Du Dir ein.
Ich: Du lässt mich frieren.
Du: Das bildest Du Dir ein.
Ich: Es ist seltsam, in Deiner Gegenwart zu frieren. Ich
weiß nicht ob das schon je vorgekommen ist.
Du: Ich sagte doch, das bildest Du Dir ein. Du bildest Dir
ja oft etwas ein, siehst Gespenster wo gar keine sind, hörst das Gras wachsen,
wie man so schön sagt.
Ich: Ich friere und es ist alles stumm, Du und alles um mich
und in mir, alles Stummheit und Leere.
Du: Ich rede doch mit Dir.
Ich: Aber es ist alles so aus weiter Ferne. Ich kann Dich
nicht verstehen und Dich nicht spüren,
Du: Wie auch, ich berühre Dich gar nicht.
Ich: Wenn ich Dich spüre, dann spüre ich Dich auch, ohne
dass Du mich berührst, und wenn ich Dich nicht spüre, dann auch dann nicht,
wenn Du mich berührst.
Du: Weißt Du eigentlich wie wirr sich das anhört?
Ich : Weil Du mich nicht verstehst, weil Du weit weg bist
und ich Dich nicht spüre und ich Dich nicht ver-nehme und weil Du mich nicht
verstehen willst.
Du: So ein Unsinn!
Ich: Aha, jetzt weißt Du nicht mehr weiter. Jetzt wirst Du
laut, aber das ändert nichts daran, dass Du eigentlich stumm bist.
Du: Entschuldige, das ist mir so rausgerutscht, aber Du machst
es mir manchmal nicht gerade leicht. Dabei bin ich doch zu Dir gekommen und Du
weißt, im Grunde Deines Herzens weißt Du, dass das alles nicht so ist.
Ich: Warst Du denn schon mal dort, dass Du es so genau
weißt?
Du: Wo war ich schon?
Ich: Im Grunde meines Herzens! Du weißt doch offenbar so
unheimlich gut Bescheid darüber was sich da tut und wie es da aussieht, im
Grunde meines Herzens!
Du: Eigentlich hast Du recht, ich weiß es nicht. Wir haben
uns angenähert, haben uns uns offengelegt, und dabei war es immer Zurückhaltung
von Dir. Vielleicht, dass Du mich kurz an der Oberfläche kratzen ließt, dass Du
mir Einblicke gewährtest, kleine, wenn es unvermeidlich war, aber nicht mehr,
Immer bist Du mir verschlossen geblieben. Du hast mich ausgeschlossen aus Dir.
Eigentlich müsste ich frieren.
Ich: Du hast recht. Nicht Du lässt mich frieren, nicht Du
bist weit weg von mir, sondern ich von Dir. Ich friere, weil ich Dich nicht zu
mir lasse, weil ich mich zugemauert habe, weil es schon so oft so weh getan
hat, wenn ich mich öffnete, so gut zugemauert, dass ich selbst nicht mehr
durchdringe, mich selbst nicht mehr erreiche. Ich bin es, die mir Schmerz
zufügt durch die Unnahbarkeit und nicht Du.
Du: Willst du denn, Dich zu erkennen geben? Willst Du mich
einlassen in Dich?
Ich: Ja, ich will es, und ich habe zugleich Angst. Langsam,
Schicht für Schicht, wenn Du die Geduld hast, mit mir bis zum Grunde meines
Herzens.
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