Hals über Kopf
Ich fand Dich. Liegend. Am Steg. Den Blick gen Himmel
gerichtet. Die Arme unter dem Kopf verschränkt. Stirnrunzeln beschlich mich bei
dem Anblick, denn das kann recht schmerzhaft sein, mit der Zeit. Aber Du
beachtetest es nicht weiters. Ich konnte allerdings auch nicht sagen wie lange
Du schon so da lagst. Die Füße baumelten im Wasser und kleine eklig-glitschige
Schlingpflanzen hatten sich um sie gewickelt. Du versuchtest nicht sie
abzuschütteln. Das Stirnrunzeln vertiefte sich. Ich riss mich zusammen, und
setzte mich flugs wieder zusammen, glättete die Stirn, aber die Verwunderung
blieb. Eine Fliege ließ sich fett und bedrohlich auf Deiner Unterlippe nieder.
Einmal ein falscher Atemzug durch den Mund und Du würdest sie verschlucken. Ich
schüttelte mich vor Ekel als ich mir im Geiste dieses Szenario ausmalte. Jetzt
hielt ich es nicht länger aus, ich musste einen Weg finden meiner Verwunderung
Ausdruck zu verleihen, aber einen solchen, der meine Falten auf der Stirn nicht
noch zusätzlich vertiefte. Ich tat das Erstbeste, was mir einfiel. Ich räusperte
mich. Doch Dein Blick blieb versonnen und verloren im Nachtgewirr hängen und
die Schlingpflanzen an Deinen Füßen und die Fliege auf Deiner Unterlippe. Ich
stieß leicht mit dem Fuß in Deine Seite. Doch es entrang sich Dir nur ein
Seufzer, doch zumindest verscheuchte er die Fliege. Diese Gefahr war gebannt,
zumindest.
„Ist alles in Ordnung mit Dir?“, fragte ich endlich, aus
purer Vorsicht wegen den Falten, aber Du reagiertest immer noch nicht.
„Hallo! Bist Du da?“, versuchte ich einen weiteren Anlauf,
mit etwas ungedämpfterer Stimme. Und ja, es war gelungen, langsam drehtest Du
mir den Kopf zu, und in Deinem Blick stand Verwunderung, als müsstest Du sowohl
über den Sinn meiner Worte als auch darüber nachdenken, wer ich denn sei.
„Kennst Du mich denn nicht wieder?“, fragte ich entsprechend
und spürte, dass das Stirnrunzeln wieder einsetzte, aber ich hatte keine Zeit
es zu wehren und beschloss auf die Schönheit zu pfeifen.
„Klar kenne ich Dich. Du bist so wunderschön heute, und
Deine Falten, fast nicht zu sehen. Hast Du da irgendetwas gemacht?“, meintest
Du lächelnd und mit glänzenden Augen.
„Sag mal, hat irgendetwas Deine Sinne getrübt?“, fragte ich,
immer noch stirnrunzelnd.
„Vielleicht, aber es ist die herrlichste Trübung, die ich je
erlebt habe“, erklärtest Du mir.
„Und was hat diese Trübung verursacht?“, entgegnete ich
spontan.
„Diese Linien, dieser Glanz, diese Kurven, mit einem Wort,
eine Schönheit, wie Du sie Dir nicht einmal in Deinen hehrsten Träumen ausmalen
kannst. Heute morgen ist es passiert, und seitdem kann ich meine Gedanken nicht
mehr lösen. So viel Kraft und Power und doch gleichzeitig so viel Eleganz und
Ästhetik. Wie sich das nur vereinen lässt? Ich hätte das nie für möglich
gehalten, aber seit heute morgen weiß ich, es gibt es!“, und Dein Satz endete
wieder in einem Seufzer. Vielleicht hättest Du noch mehr sagen wollen, aber es
ging darin unter.
„Du hast Dich also, mit einem Wort, Hals über Kopf
verliebt“, merkte ich kurz an.
„Wie Du das sagst, da klingt das so ... so .... so prosaisch. Aber ja, eigentlich
hast Du recht“, entgegnetest Du, „Aber diese Vollkommenheit, da kann man gar
nicht anders. Als ich sie sah, diese Vollkommenheit, da auf der Straße, da
musste sie mein sein. Und so kaufte ich sie.“
„Was, eine Frau?“, merkte ich irritiert an, „Eine Frau, hast
Du von der Straße weg gekauft?“
„Wer redet von einer Frau?“, sagtest Du, nun doch auch
verdattert, „Frauen gibt es nicht in vollkommen, nur einen Range Rover.“
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