1909 Coin operated Boy (Teil 19):


Die Geister, die ich rief ...


Barnabas, die Puppe, die mir das Leben versüßen sollte, stand mir mit einem Messer in der Hand gegenüber. Eigentlich war seine Reaktion folgerichtig, denn er spiegelte wiederum nur meine eigenen Empfindungen, die Wut und die Aggressionen, die sich mittlerweile gegen ihn in mir aufgestaut hatten.
„Du hast mich daran gehindert zu leben. Du hast es fertiggebracht, dass ich mich mit Dir zu Hause einsperre und mich verkrieche“, schrie ich ihn offen an, „Und dann redete ich mir auch noch ein, dass das Glück sein sollte. Du widerst mich an. Wegen Dir wollte ich mich sogar umbringen! Doch jetzt, jetzt wünschte ich, ich hätte Dich ins Meer geworfen, Du nichtsnutzige Marionette.“
„Und Du, Du bist nichts als ein egozentrisches Miststück, das mich nur benutzt hat. Immer war ich gut genug für Dich, doch wenn etwas anderes interessant wird, dann bin ich plötzlich unwichtig, werde abgestellt wie ein alter Lampenschirm“, erwiderte er, sich bedrohlich mit dem Messer nähernd. Ich wusste, ich musste meine Taktik ändern, wollte ich hier lebend herauskommen. Vielleicht konnte ich es für mich nuten, dass er meine Gedanken und Gefühle spiegelte.
„Du hast recht, ich habe mich schäbig Dir gegenüber benommen“, versuchte ich einzulenken, ihn und das Messer nicht aus den Augen lassend. Seine Haltung blieb drohend, doch zumindest hielt er inne.
„Lass uns wieder miteinander glücklich sein. Ich habe das alles nicht so gemeint. Die anderen Menschen, die haben mich so durcheinandergebracht, doch jetzt weiß ich es wieder, Du und ich, wir gehören zusammen“, sagte ich, und erleichtert stellte ich fest, dass er das Messer sinken ließ.
„Beweise mir, dass Du es ernst meinst!“, forderte er mich auf. Ganz überzeugt schien er noch nicht zu sein, so wie sich in meinem Inneren alles dagegen sträubte. Ich musste das Gefühl wiederfinden, dass ich einst gehabt hatte, wollte ich wirklich überzeugend sein.
„Gut, ich werde es Dir beweisen. Wir werden jetzt hinaus gehen und hinunter ins Pub. Dann werden alle sehen und erleben können, dass wir zusammen gehören, und nichts und niemand uns auseinanderbringen kann“, erklärte ich entschieden und offenbar überzeugend genug, denn er legte das Messer weg und umarmte mich, während er sich eine weitere Münze einwarf. Wie viele da wohl in seiner Tasche waren? Es mussten einige sein, denn ich hatte seit meiner Ankunft kaum eine benutzt. Wie schwer es doch war seine eigenen Gedanken, die wahren Gedanken, vor sich selbst zu verbergen.
„Dann lass uns gehen!“, sagte ich heiter und beschwingt, ihn an der Hand nehmend, „Ich freue mich schon darauf Dich den anderen vorzustellen!“
„Und ihnen zu sagen, dass Du mir gehörst, mir ganz alleine!“, setzte er hinzu.
„Dir ganz alleine!“, wiederholte ich, und die Worte hinterließen einen dumpfen Nachgeschmack auf meinem Gaumen, doch ich musste durchhalten, zumindest noch ein paar Minuten. Und so traten wir vor die Türe, Hand in Hand. Es hatte leicht zu nieseln begonnen und die Landschaft versteckte sich hinter dichten Nebelschleiern.
„Es ist aber gar nicht schön heraußen. Lass uns das doch ein andermal machen“, schlug er nun vor, doch ich war gewillt mich nicht abbringen zu lassen.
„Aber ich will, dass es heute ist, denn ich habe es allzu lange versäumt“, sagte ich entschieden und führte ihn die Klippen entlang, die ich mittlerweile wie meine Westentasche kannte. Ich ließ seine Hand nicht los, bis zu der Stelle, an der eine kleine Einbuchtung war, groß genug, dass ich auf festem Grund weitergehen konnte, aber Barnabas unweigerlich hinabstürzte. Ich brauchte es nicht zu denken, es geschah einfach, und ich hörte mehr als ich es sah, dass der Körper der Puppe zwischen Felsen und Wellen zermalmt wurde. Erleichtert atmete ich auf, während ich meinen Weg zum Pub fortsetzte.

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