Die Geister, die ich rief ...
Barnabas, die Puppe, die
mir das Leben versüßen sollte, stand mir mit einem Messer in der Hand
gegenüber. Eigentlich war seine Reaktion folgerichtig, denn er spiegelte
wiederum nur meine eigenen Empfindungen, die Wut und die Aggressionen, die sich
mittlerweile gegen ihn in mir aufgestaut hatten.
„Du hast mich daran
gehindert zu leben. Du hast es fertiggebracht, dass ich mich mit Dir zu Hause
einsperre und mich verkrieche“, schrie ich ihn offen an, „Und dann redete ich
mir auch noch ein, dass das Glück sein sollte. Du widerst mich an. Wegen Dir
wollte ich mich sogar umbringen! Doch jetzt, jetzt wünschte ich, ich hätte Dich
ins Meer geworfen, Du nichtsnutzige Marionette.“
„Und Du, Du bist nichts
als ein egozentrisches Miststück, das mich nur benutzt hat. Immer war ich gut
genug für Dich, doch wenn etwas anderes interessant wird, dann bin ich
plötzlich unwichtig, werde abgestellt wie ein alter Lampenschirm“, erwiderte
er, sich bedrohlich mit dem Messer nähernd. Ich wusste, ich musste meine Taktik
ändern, wollte ich hier lebend herauskommen. Vielleicht konnte ich es für mich
nuten, dass er meine Gedanken und Gefühle spiegelte.
„Du hast recht, ich habe
mich schäbig Dir gegenüber benommen“, versuchte ich einzulenken, ihn und das
Messer nicht aus den Augen lassend. Seine Haltung blieb drohend, doch zumindest
hielt er inne.
„Lass uns wieder
miteinander glücklich sein. Ich habe das alles nicht so gemeint. Die anderen
Menschen, die haben mich so durcheinandergebracht, doch jetzt weiß ich es
wieder, Du und ich, wir gehören zusammen“, sagte ich, und erleichtert stellte
ich fest, dass er das Messer sinken ließ.
„Beweise mir, dass Du es
ernst meinst!“, forderte er mich auf. Ganz überzeugt schien er noch nicht zu
sein, so wie sich in meinem Inneren alles dagegen sträubte. Ich musste das
Gefühl wiederfinden, dass ich einst gehabt hatte, wollte ich wirklich
überzeugend sein.
„Gut, ich werde es Dir
beweisen. Wir werden jetzt hinaus gehen und hinunter ins Pub. Dann werden alle
sehen und erleben können, dass wir zusammen gehören, und nichts und niemand uns
auseinanderbringen kann“, erklärte ich entschieden und offenbar überzeugend
genug, denn er legte das Messer weg und umarmte mich, während er sich eine
weitere Münze einwarf. Wie viele da wohl in seiner Tasche waren? Es mussten
einige sein, denn ich hatte seit meiner Ankunft kaum eine benutzt. Wie schwer
es doch war seine eigenen Gedanken, die wahren Gedanken, vor sich selbst zu
verbergen.
„Dann lass uns gehen!“,
sagte ich heiter und beschwingt, ihn an der Hand nehmend, „Ich freue mich schon
darauf Dich den anderen vorzustellen!“
„Und ihnen zu sagen, dass
Du mir gehörst, mir ganz alleine!“, setzte er hinzu.
„Dir ganz alleine!“,
wiederholte ich, und die Worte hinterließen einen dumpfen Nachgeschmack auf
meinem Gaumen, doch ich musste durchhalten, zumindest noch ein paar Minuten.
Und so traten wir vor die Türe, Hand in Hand. Es hatte leicht zu nieseln
begonnen und die Landschaft versteckte sich hinter dichten Nebelschleiern.
„Es ist aber gar nicht
schön heraußen. Lass uns das doch ein andermal machen“, schlug er nun vor, doch
ich war gewillt mich nicht abbringen zu lassen.
„Aber ich will, dass es
heute ist, denn ich habe es allzu lange versäumt“, sagte ich entschieden und
führte ihn die Klippen entlang, die ich mittlerweile wie meine Westentasche
kannte. Ich ließ seine Hand nicht los, bis zu der Stelle, an der eine kleine
Einbuchtung war, groß genug, dass ich auf festem Grund weitergehen konnte, aber
Barnabas unweigerlich hinabstürzte. Ich brauchte es nicht zu denken, es geschah
einfach, und ich hörte mehr als ich es sah, dass der Körper der Puppe zwischen
Felsen und Wellen zermalmt wurde. Erleichtert atmete ich auf, während ich
meinen Weg zum Pub fortsetzte.
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