Was Glück sein kann ...
Sarah und Jonas Wegener
hatten mich nach Hause begleitet, bis vor die Haustüre hatten sie mich gebracht
bevor sie sich von mir verabschiedeten, damit ich sie am nächsten Tag an eben
jener Stelle wieder begrüßen zu dürfen. Ich hatte Tee und Kuchen vorbereitet,
das Feuer brannte im Kamin, als das Ehepaar eintrat.
Während der nächsten Tage
durfte ich viel Zeit mit den beiden verbringen, lernte sie kennen, doch noch
mehr von ihrer Beziehung. Es lag eine besondere Verbindung zwischen den beiden,
etwas, das ich nicht ganz enträtseln konnte. Sie erlebten unterschiedlich, doch
es gelang die Verschiedenheit zu einem gemeinsamen Bild zusammenzusetzen, nicht
zu integrieren, indem eine Facette ausgelöscht wurde, sondern nebeneinander bestehen
zu lassen, gleichberechtigt. Was ich erleben durfte war eine Erweiterung,
gerade weil beide ihre je eigene Persönlichkeit leben durften. Ja, uns sie
hatten auch Differenzen, Meinungsverschiedenheiten, und doch belastete es das
Band zwischen ihnen nicht. Es war wie ein Stein, der im Weg lag, und den sie
gemeinsam bei Seite schoben um wieder zueinander zu finden.
Harmonie, so fand ich
heraus, war nicht eine Frage der Symbiose, der Gleichschaltung, sondern eine
des Willens aneinander zu wachsen und zu werden. Immer mehr trat diese Art des
Miteinander in den Mittelpunkt meines Denkens, immer weiter entfernten sich
meine Gedanken von Barnabas, bis ich ihn eines Tages in einem kleinen
Abstellraum wiederfand. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern ihn dort abgelegt
zu haben.
„Nein, Du tust mir nicht
gut“, sagte ich zu ihm, nachdem ich ihn mit Münzen gefüttert hatte, „Du mit
Deiner bloßen Spiegelung meiner selbst. Du bist nichts weiter als mein
narzisstischer Widerpart, die Personifizierung meines Solipsismus.“
„War das nicht genau das,
was Du wolltest, jemanden, der Dich festigt und lobt und Dir Honig ums Maul
schmiert, der Dich unterstützt und alles mitmachst was Du willst?“, fragte er
gerade heraus.
„Ja, wahrscheinlich war es
das, was mich zu Anfang so faszinierte. Wie unsicher und haltlos ich doch
gewesen sein muss, in jener Zeit, echte Beziehungen verweigernd, weil ich
meinte, dass die Auseinandersetzung schmerzt“, erwiderte ich.
„Aber das tut sie doch
auch. Menschen kommen, Menschen gehen, und sie tun Dir weh, brechen Dir das
Herz. Ich mache das nicht. Ich bleibe bei Dir, für immer und ewig“, versuchte
er mir zu schmeicheln, doch es klang beinahe wie eine Drohung. Kalt lief es mir
den Rücken hinunter, wenn ich daran dachte, dass ich tatsächlich der Meinung war,
dass es mich auf Dauer glücklich machen könnte mit meinem Spiegelbild zu leben.
„Du machst mir Angst“,
entgegnete ich bekümmert, „Wenn so meine Zukunft aussieht, so wäre es doch wohl
besser gewesen, ich hätte mich von den Felsen ins Meer gestürzt.“
„Ach, das darfst Du nicht
so sehen. Denk doch an die vielen glücklichen Stunden, die wir miteinander
verbracht haben. Das wird immer so weiter gehen. Für immer werden wir glücklich
miteinander sein“, fuhr er fort, „Für immer werden wir zusammen sein. Du wirst
mich nicht mehr los.“ Und sein Ton war nicht mehr nett, nicht mehr freundlich,
sondern scharf und schneidend. Aber in wenigen Sekunden musste die Münze
aufgebraucht sein und er würde endlich den Mund halten. Doch da musste ich mit
Schrecken beobachten, dass er eine Münze aus seiner Tasche zog und sie sich
einwarf.
„Du wirst mit mir
glücklich sein, ob Du willst oder nicht, und wenn wir beide dabei untergehen“,
drohte er mir nun offen.
„Ich kann aber mit Dir
nicht mehr glücklich sein“, versuchte ich zu erklären, „Denn das Glück, das
wahre, lebendige Glück, kann es nur zwischen zwei gleichberechtigten,
selbständigen, eigenständigen Menschen geben. Du bist bloß eine Puppe“,
versuchte ich zu erklären, „Ich habe es kennengelernt.“
Und da war das Messer in
seiner Hand. Langsam stand er auf und ging auf mich zu. Instinktiv wich ich vor
ihm zurück, doch wohin konnte ich fliehen, wo mich verstecken?
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